Dieser Text ist eine leicht erweiterte Version eines Gastbeitrags der am 21. August 2016 in der Zeitung Neues Deutschland erschienen ist.
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»Ich habe heute den Auftrag erteilt, alle Betreiberverträge mit der PeWoBe fristlos zu kündigen«, verkündete Sozialsenator Mario Czaja am 14.8.. Die Verlautbarung folgte auf chaotische Tage, in denen bekannt geworden war, dass die von der »Professionelle Wohnen- und Betreuungsgesellschaft« (PeWoBe) beschäftigte Leiterin einer Flüchtlingsunterkunft, Peggy M., für die rechtsextreme DVU kandidiert hatte, der Verein »Hellersdorf hilft« zahlreiche Missstände angeprangert hatte und dieser dafür von den PeWoBe-Anwälten abgemahnt worden war. Ausschlaggebend für die Kündigung war aber ein E-Mail-Verkehr, in dem die erwähnte Heimleiterin und die PeWoBe-Geschäftsführerin über die Investition einer 5000-Euro-Spende in eine Kinderguillotine diskutierten und der es bis in britische Medien schaffte. Auf den ersten Blick wirkt die Trennung entschlossen und konsequent. Wer sich ein bisschen intensiver mit der Berliner Flüchtlingsunterbringung beschäftigt hat, dem stellen sich allerdings Fragen.
Warum hat es so lange gedauert?
Die Probleme mit der PeWoBe sind schon lange bekannt. Kein warmes Wasser, Schimmel in den Räumen, keine Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen. Die umstrittene Unterkunft an der Neuköllner Späthstraße, bei der Millionen Euro Mehrkosten entstanden, war bereits zweimal Thema der Investigativsendung Frontal21. Schon 2014 forderte ich, sich von PeWoBe zu trennen, genauso wie von der Tochter GIERSO, die vor allem dadurch bekannt wurde, dass sie den Patensohn des Präsidenten des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) zum Geschäftsführer machte. Beide Firmen sind primär Immobilienspekulanten, die das selbstgewählte Chaos und die Abhängigkeit des Landes ausnutzten. Immer noch ist die PeWoBe mit neun Unterkünften im Geschäft, die GIERSO mit fünf. Nun wird Hals über Kopf die Trennung gesucht. Das kann nicht gut gehen. Vermutlich werden Millionen Euro an Schadenersatzforderungen auf das Land zukommen. Zudem ist fraglich, wie mit den über 1000 Menschen verfahren wird, die in PeWoBe-eigenen Immobilien wohnen.
Umso schlimmer wiegt da der Vorwurf der PeWoBe selbst (hier die PM der PeWoBe vom 15.8. / Schreiben LAGeSo 29.7. / Schreiben 5.8.), der Mailverkehr habe der Senatsverwaltung – und damit Czaja selbst – schon über Wochen vorgelegen und sei bereits für harmlos erklärt worden, von einer fristlose Kündigung sei abgesehen worde. Sollte dies zutreffen, bestätigt es letztlich noch den Eindruck, dass Czaja mitnichten auf irgendein Vergehen des Betreibers reagiert hat, sondern nur auf die Berichterstattung und damit nach Jahren des Nichtstuns, das Land Berlin in eine juristische äußerst schwierige Situation gesteuert hat, die Millionen an Entschädigungszahlungen nach sich ziehen könnte. Der tiefe Schlaf kann Berlin und die Betroffenen nun doppelt teuer zu stehen kommen. Dabei habe ich den Rauswurf von PeWoBe und GIERSO schon 2014 und erneut 2015 gefordert.
Warum bleiben weitere Skandalbetreiber im Geschäft?
Missstände bei der Unterbringung, zu wenig Personal, keine Waschmöglichkeiten, willkürliche Hausverbote für Ehrenamtliche, rechte Gesinnung bei Mitarbeitern. All das kommt Ihnen bekannt vor? Diesmal geht es um die Firma Akzente, die die Initiative »Kreuzberg hilft« schon mehrfach angezählt hat. Trotz der Kritik scheute das LAGeSo bisher, sich von dem Betreiber dreier Unterkünfte zu trennen. Gleiches gilt für den dubiosen Betreiber Sanctum Homes (fünf Unterkünfte) und das Chaos-Hotel City 54 (440 Plätze). Doch: Ihre Unterkünfte sind nicht besser als die der PeWoBe. Es kann nicht sein, dass man erst einen Wahlkampf und internationale Berichterstattung braucht, um sich von derartigen Vertragspartnern zu trennen.
Was muss sich nun ändern?
Die Unterkünfte der oben genannten Betreiber müssen schnellstmöglich juristisch sauber neu ausgeschrieben werden. Das wäre entschlossenes und konsequentes Handeln. Das reicht aber noch nicht. Wie chaotisch das gesamte Verfahren von Betrieb und Vergabe von Unterkünften in Berlin ist, lässt sich gerade vor dem Landgericht beobachten: Seit August muss Referatsleiter Stefan T. erklären, ob er der Arbeiterwohlfahrt und einer Sicherheitsfirma Aufträge zuschanzte und dafür Schmiergeld kassierte. Das Land Berlin sieht dabei nicht gut aus. Daran ändert auch die im August erfolgte Umbenennung des LAGeSo in Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) nichts. Für die Betroffenen wie für die Ehrenamtlichen bleibt das Problem: Sie haben keine Ansprechpartner und wissen nicht, wie und auf welcher Grundlage mit ihren Beschwerden verfahren wird. Noch immer gibt es keine Heimräte oder Flüchtlingsfürsprecher, wie dies zuletzt im „Masterplan Integration und Sicherheit“ versprochen wurde. Dabei sind sie diejenigen, die am besten über Missstände Bescheid wissen. Zudem sind Vertragspartner des Landes verunsichert, da offenbar zuerst Zusicherungen erfolgen und danach Kündigungen ausgesprochen werden. Es gibt sowieso schon zu viele Unternehmen, die nicht mit dem LAGeSo zusammenarbeiten wollen, da es immer wieder zu Zahlungsschwierigkeiten kommt. Ein klares Eskalationsverfahren muss her, in dem geregelt ist, wer zuständig ist, wann Sanktionen und wann eine Kündigung erfolgen. In der aktuellen Situation herrscht Unsicherheit für alle Beteiligten. Dass solch ein Verfahren noch unter dem amtierenden Senator eingeführt wird, scheint leider ausgeschlossen.