Weiß Herr Wester­welle etwa nicht, was Marken­recht ist?

Es war eigentlich abzusehen: Mit dem mittler­weile zu erwar­tenden Aus für das Handels­ab­kommen ACTA muss die EU-Kommission sich nun nach Alter­na­tiven für den inter­na­tio­nalen Produkt­schutz umsehen. Dass das „Anti-Produkt­fäl­schungs-Handels­ab­kommen“ ACTA nun vermutlich komplett in der Versenkung verschwindet, ist ein Erfolg von Hundert­tau­senden von Menschen, die sich um ihre Bürger­rechte sorgten und diese Sorge auch auf die Straße getragen haben, sowie zahlreicher NGOS, die sich der bedenk­lichen inter­na­tio­nalen Entwicklung, die freie Verfüg­barkeit von Daten mit drako­ni­schen Maßnahmen bekämpfen zu wollen, in den Weg stellen. Auch die Lizen­zierung von Saatgut und Einschränkung von Generika mag zu diesem Unmut beige­tragen haben.

Wer nun aber (vielleicht zu Recht) bemängelt, dass damit auch die ursprüng­liche Idee, effek­tiver gemeinsam auf inter­na­tio­naler Ebene gegen Produkt­fäl­schung vorzu­gehen, torpe­diert wird, der sollte so ehrlich sein und dafür nicht den ACTA-Gegnern, sondern denje­nigen die Schuld geben, die das Abkommen über Jahre hinter verschlos­senen Türen zu etwas gemacht haben, was zu Beginn der Verhand­lungen so gar nicht kommu­ni­ziert wurde und es mit Dingen vollstopften, die mit Produkt­fäl­schung wirklich nur noch den gemein­samen juris­ti­schen Begriff „Immate­ri­al­güter“ gemein haben, was außer der gemein­samen Nennung auf einer Wikipe­dia­seite quasi nichts zu bedeuten hat. Diese Ehrlichkeit lässt Außen­mi­nister Wester­welle vermissen, wenn er anmahnt, dass die hohen Zustim­mungs­raten zur Piraten­partei nun bedeuten, dass man deutsche Produkt­schut­z­in­ter­essen inter­na­tional nun schlechter durch­setzen könne. So zumindest verstehe ich seine Aussage: „Wenn Deutschland in der Welt den Schutz des geistigen Eigentums zu Recht verlangt und gegen Produkt­pi­ra­terie antritt, ist es kaum nachvoll­ziehbar, wenn im eigenen Land die Forderung nach Aufgabe des geistigen Eigentums neumo­di­schen Zulauf bekommt.“ gegen­über dem Handels­blatt (via DTS). Unabhängig davon, dass die deutschen Piraten das Urheber­recht trotz der zahlreichen Behaup­tungen nicht abschaffen wollen (darf meinet­wegen gern öfter verbreitet werden, ich finde uns in der Beziehung sowieso eher zu lasch), ist es eine Frechheit das Scheitern der Marken­schutz-Aspekte von ACTA, einem Abkommen von dem Wester­welle vermutlich erstmalig hörte, als bereits das Hunder­tau­sende dagegen auf die Straßen gingen, der ziemlich moderaten Position der Piraten zum Urheber­recht in die Schuhe schieben zu wollen. Jedoch: Die einzige Alter­native zu dieser Lesart scheint zu sein, dass der Jurist Wester­welle (Fernuni Hagen) schlicht den Unter­schied zwischen diesen beiden Rechts­ge­bieten nicht kennt und keinen danach gefragt hat, da er kein Interesse daran hat. Es heißt zwar, unter­stelle keine Bösar­tigkeit, wo auch Dummheit die Motivation sein kann. Aber in diesem Fall tendiere ich doch deutlich zur ersteren Version.

Insofern: Lieber Herr Wester­welle, erklären Sie den Bürgern, warum ACTA wirklich gescheitert ist. Erklären Sie ihnen, dass Sie um das Abkommen gar nicht gekümmert haben und gar nicht regis­triert haben, dass dort auch ganz andere Rechts­be­reiche als das Marken­recht mitver­handelt wurden. Erklären Sie ihnen, dass die Menschen in Europa zu Recht auf die Straße gegangen sind, wie es die Justiz­mi­nis­terin schon konsta­tiert hat. Geben Sie zu, dass die zukünftige deutsche Verhand­lungs­po­sition Deutsch­lands bei Abkommen zu Produkt­schutz völlig unabhängig von Fragen des Urheber­rechts und des Urheber­per­sön­lich­keits­rechts ist und Ihre Gleich­setzung einfach hanebüchen ist. Oder haben Sie diesbe­züglich etwa gesicherte Infor­ma­tionen, über die ich nicht verfüge? Dann würde ich Sie bitten, diese öffentlich zugänglich zu machen, damit ich mir ein Bild davon machen kann, wie die inter­na­tio­nalen Verhand­lungen im Bereich Immate­ri­al­gü­ter­recht verlaufen werden. Oder machen Sie ruhig so weiter und Sie wird niemand mehr ernst nehmen. (Oder tut das eh schon keiner mehr?)

3 Kommentare zu “Weiß Herr Wester­welle etwa nicht, was Marken­recht ist?

  1. Gruß,

    unabhängig davon, dass ich kein Fan von Westerwelle bin, frage ich mich, was die Nennung „Fernuni Hagen“ hinter der Bezeichnung „Jurist“ zu suchen hat.

    Soll das diskreditieren, so in der Art, er habe nicht mal eine „anständige“ Uni geschafft?

    Oder soll es informieren? Dann sollte zumindest korrekt geschrieben werden:

    „Promotion: Fernuni Hagen“

    Denn das Staatsexamen des „guten Herren“ war an der Uni Bonn…

    • Hi, „Fernuni Hagen“ ist nicht wirklich als Wertung gemeint. Ich weise nur darauf hin und dann kann sich jeder Leser durch eigene Recherche eine Meinung dazu bilden, was er von Guido Westerwelle als Juristen hält. Im Allgemeinen gab es ja eher negative Erfahrungen mit Abgeordneten, die ihren Doktor neben dem Mandat machen (Schröder, Guttenberg) und wie er noch nie als Jurist gearbeitet haben, aber man soll ja nicht von einzelnen auf alle schließen. Falls ich von diesem Fall jedoch auf die juristische Eignung von Westerwelle schließen müsste, würde mein Urteil nicht so positiv ausfallen.
      Gruß,
      Fabio

  2. Naja, ganz so unrecht hat Herr Westerwelle nicht. Die Piratenpartei setzt sich fuer einen Ausstieg aus der Berner Uebereinkunft ein, was Werke von deutschen Urhebern im Ausland schutzlos machen wuerde. Und nicht zuletzt wird das Urheberrecht in der Praxis oft als Vehikel zur Entfernung von Markenrechtsverletzungen eingesetzt, weil DMCA-artige Takedown-Regelungen eben meist nur im Urheberrecht, nicht aber im Markenrecht verankert sind.

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