Gestern hatte ich die außerordentliche Ehre, eine besondere LiquidFeedback-Initiave vorzustellen. Es handelt sich dabei meines Wissens um die erste Gegeninitiative zu einem parlamentarischen Antrag einer anderen Fraktion im Parlament, die die Piraten im Plenum vorstellen. Oder nochmal langsam: Die Grünen haben gestern den Antrag eingebracht, in Berlin ein öffentlich einsehbares und verpflichtentes Lobbyregister einzuführen (PDF). Wir haben diesen als Schnellinitiative in Liquid Feedback eingestellt. Da der Antrag grundsätzlich unterstützenswert schien, aber etwas wenig konkret war, wurde erwartungsgemäß diese Gegeninitiative gestellt. Sie gewann dann mit 44 zu 16 im direkten Vergleich der Präferenzwahl und insgesamt 94% Zustimmung. Also haben wir den Antrag der Grünen zu unserer Priorität erklärt, dadurch das erste Rederecht bekommen und die Gegeninitiative als Änderungsantrag eingereicht. Hier ist meine Rede zum Antrag der Grünen und unserem Änderungsantrag:
„Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! 2008 hat ein Skandal zu großen Schlagzeilen geführt: Lobbyisten von Verbänden und Konzernen waren über Jahre hinweg an der Ausarbeitung von Gesetzen im Bundesministerium beteiligt. Dabei zahlte der Steuerzahler sogar noch drauf, wie ein interner Bericht des Bundes-rechnungshofs an den Haushaltsausschuss des Bundestags feststellte. Zwischenzeitlich sollen über hundert sogenannte Externe im Bundesministerium gearbeitet haben. Der Berichte zeigte damals Wirkung. Die Praxis, Mitarbeiter aus der Wirtschaft ganz offen und auch noch aus Steuergeldern zu bezahlen und an den Gesetzen mitarbeiten zu lassen, ist inzwischen eingeschränkt worden. Es gibt inzwischen sogar einen Rundgang an die Orte, an denen sich die Politiker mit den Lobbyisten treffen. Das zeigt die Notwendigkeit für ein Lobbyistenregister.
Ich freue mich, dass wir auf Vorlage der Grünen heute über ein Thema sprechen, das wir Piraten bereits auf der konstituierenden Sitzung angesprochen haben. Es geht um die Aufgabe und die Frage, was die Rolle des Abgeordneten in diesem Haus eigentlich ist. Wir als Piratenfraktion sind noch dabei hereinzuwachsen. Aber auch wir haben schon Ideen und Impulse, denen Sie hoffentlich auch zustimmen können. Das Mandat in diesem Haus ist viel mehr als ein Privileg,
[Uwe Doering (LINKE): Und manchmal eine Last!]
eine Pflicht, eine Bürde. Zu dieser Bürde gehört vor allem, aber auch die Rechenschaft gegenüber den Bürgern. Dies ist nicht nur ein Heft, das am Ende der Wahlperiode veröffentlicht wird. Transparenz ist nicht etwas, das im Nachhinein, sondern auch im laufenden Verfahren passiert.
[Beifall bei den PIRATEN]
Da hätte ich mir gewünscht, dass die anderen Fraktionen auch klatschen, aber trotzdem: Danke!
[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]
Eine Pflicht des Mandates ist es, eine transparente Darlegung von Kontakten mit Inhaltsvermittlern, Interessenvertretern, mit eben Lobbyisten zu verfolgen. Nicht wir sind die Herren dieses Hauses, sondern die Bürger.
[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]
Daraus folgt, dass die Bürger auch das Recht haben, ungeschönt zu erfahren, wie Gesetze entstanden sind, und welche Interessensvertreter dabei an welcher Stelle beteiligt wurden.
[Zurufe von Benedikt Lux (GRÜNE) und Anja Kofbinger (GRÜNE)]
Deshalb muss dieser Rechenschaftspflicht konsequent nachgekommen werden. Ein Lobbyregister ist die konsequente Umsetzung dessen. Danke an dieser Stelle für die Vorlage der Fraktion der Grünen.
Noch zwei Sätze, warum wir dazu einen Änderungsantrag eingebracht haben: Der Begründung des Ursprungsantrags kann seitens der Fraktion der Piraten grundsätzlich zugestimmt werden. Wir halten es jedoch für erforderlich, Schwerpunkte des einzureichenden Registers im Antragstext festzulegen. Die Einrichtung eines verpflichtenden Lobbyregisters ist für uns nicht nur ein Bekenntnis, sondern eine Erfordernis. Die Ergänzung der verpflichtenden Registrierungen von Kirchen und religiösen Gemeinschaften gegenüber dem Lobbyregister der Europäischen Union halten wir aufgrund der Trennung von Staat und Kirche für wichtig. Die Klarstellung, dass Bürgerinnen und Bürger, die sich in eigenen Anliegen an die Landesregierung und an das Abgeordnetenhaus wenden, von der Verpflichtung ausgeschlossen sind, ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. Ein Punkt ist noch die Schaffung einer Datenbank statt eines Registers. Dies ist kostengünstiger und weniger aufwendig als die Pflege eines Lobbyregisters.
Ich fasse zusammen: Mit Erstellung dieses Registers, das übrigens auch in anderen Bundesländern wie Brandenburg bereits intensiv diskutiert wird, schaffen wir eine gute Grundlage, um unseren ureigenen Pflichten, nämlich der transparenten Darstellung unserer Arbeit in diesem Hause gegenüber den Bürgern ein gutes Stück näher zu kommen. Lassen Sie uns daher diesen Schritt gemeinsam gehen.
[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]
Hi Fabio,
„Die Klarstellung, dass Bürgerinnen und Bürger, die sich in eigenen Anliegen an die Landesregierung und an das Abgeordnetenhaus wenden, von der Verpflichtung ausgeschlossen sind, ist ebenfalls ein wichtiger Punkt.“
„in einigen Anliegen“ oder „in eigenem Anliegen“?
Danke 🙂
„in eigenen Anliegen“ ist richtig. Es geht darum, dass man nicht jeden Bürger, der sich über den Baum vor seinem Haus beschwert, als Lobbyisten kennzeichnen kann oder will. Das würde nämlich dazu führen, dass die Bereitschaft der Bürger, sich in eigenen Angelegenheiten an die Politik zu wenden, rapide sinken würde. Nun könnte man fragen, ob dies dazu führen kann, dass sich jeder Lobbyist auch als Bürger ausgeben kann. Aber das lässt sich recht klar definieren, denn Lobbyisten sind diejenigen, die Organisationen vertreten und/oder in dem Bereich, den sie lobbyieren, auch gegen Entlohnung tätig sind. Wir haben diese Fragen auch schon mal mit Lobby Control diskutiert. Ich empfehle dazu: http://www.piratenfraktion-berlin.de/2011/10/29/von-lobbyisten-geschenke-und-lustreisen/
Gruß,
Fabio