Rede zur Aktuellen Stunde der Plenarsitzung am 28 Januar 2016 zu „Czaja versagt bei der Flüchtlingsunterbringung, Müller will Tempelhof bebauen und das Ergebnis der Volksabstimmung kassieren – Senat muss endlich Probleme lösen, statt neue zu schaffen“ und der Vorlage zur Beschlussfassung Drucksache 17/2583 Gesetz zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen (Änderung des 2014 in Kraft getretenen THF100-Volksgesetzes) in dieser geänderten Version.
und der Vorlage zur Beschlussfassung Drucksache 17/2620 des Gesetz zur Errichtung eines Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten und zur Anpassung betroffener Gesetze (LAFA) in geänderter Form.
Heute stehen 2 Gesetzentwürfe auf der Tagesordnung. Im Mittelpunkt steht die Änderung des Gesetzes des Tempelhofer Feldes. Die Chronologie dazu ist schon absurd.
– Im November 2015 wurde eine Massenunterkunft für 5000 Menschen und die Nutzung des Feldes angekündigt.
– Am 16.11. gab es eine erste Informationsveranstaltung, Staatssekretär Gäbler verspielte öffentlich seine Glaubwürdigkeit: „Wenn ich hier als StS sage, dass es nur um die Tempelhofer Damm Seite geht, dann ist das so“. Am nächsten Tag sagt Senator Geisel: „Natürlich brauchen wir auch die Neuköllner Seite.“ Eine Woche heißt es dann, auch der Columbiadamm solle genutzt werden.
– Der Gesetzentwurf kommt dann mit vier geplanten Flächen ins Parlament. Das Vorfeld sei angeblich nicht geeignet, weil Medien fehlten.
Im Plenum wird dann am 26.11. in der 1. Lesung beraten. In der Plenarsitzung sagt Stefan Evers, bevor zugestimmt wird, müssten erst alle Alternativen zur Unterbringung geprüft werden. Da das offensichtlich nicht gemacht wurde, ist dieses Versprechen gebrochen.
– Obwohl es ja angeblich nur ein Vorratsgesetz sein sollte, musste es dann dennoch bereits am 30.11. durch den Sozialausschuss gepeitscht werden. Ohne ausreichende Vorankündigung. Ohne soziales Konzept. Ohne ernsthafte Diskussion. Ohne Anhörung.
– Am 4.12. wurde dann festgestellt, dass zuviel Gegenwind kam und die Randflächen nicht geeignet seien. Jetzt wollte man plötzlich doch aufs Vorfeld, der Entwurf war damit obsolet
– Am 8.1.2016 gab es dann ein Fachgespräch, wo erstmals nicht erklärt werden kann, warum man das Gesetz ändern muss und Vorfeld nicht reicht. Bedingung der Fraktionen ist trotzdem eine vorher stattfindende Bürgerversammlung. Diese ist natürlich nicht ergebnisoffen. Das Abstimmungsergebnis am 28.1. steht zu dem Zeitpunkt schon fest.
– Auf der Veranstaltung am 21.1. selbst wird dann noch nicht einmal der konkrete Gesetzentwurf präsentiert. So viel zur Chronologie dieses von Anfang an belasteten Gesetzentwurfes.
Das schlimmste ist aber, dass hier ständig auf Gemeinsamkeiten gepocht wird: In der Regierungserklärung des Regierenden Bürgermeister vom 12.11.15 mit dem Namen „Eine gemeinsame Kraftanstrengung für Berlin“ steht acht mal das Wort „gemeinsam“ , 11 mal „zusammen“. Nur gibt es kein Zusammen.
Die Koalition macht Vorschläge und will, dass wir es absegnen. Vorschläge der Opposition werden immer noch abgelehnt. Sie lehnen sogar Anträge ab die durchdacht sind, und denen sie gestern im Hauptausschuss – wenn auch nur versehentlich der DR 17/2149 – zugestimmt haben. „Gemeinsam“ kann nicht heißen, ein paar machen was sie möchten, machen keine Angebote an die anderen und verbitten sich Kritik an ihren Aktionen. „Gemeinsam“ kann nicht heißen, dass man verschiedene Gruppen gegeneinander ausspielt, wie es beim THF-Gesetz geschieht.
Die hier vorliegenden Widersprüche sind eklatant:
– Als Argument für die Änderung des THF-Gesetzes wird erklärt, die Bauten seien nur temporär. Dass es keine Verlängerung geben wird, ist jedoch nur Spekulation. Und laut §9(4) des Entwurfs wird kein Rückbau benötigt.
– Im Übrigen sprechen wir von einem Gelände, in dem es den Verdacht beziehungsweise Altlasten gibt. Vor einer Bautätigkeit auf dem Gelände, die beispielsweise in das Erdreich eindringen würde, müsste es eine Kampfmittelfreigabe geben.
– Und zur Nutzung des Vorfeldes ohne Gesetzesänderung hat die AG Village ja auch ein Konzept erstellt. Das wurde einfach ignoriert. Man wolle es „prüfen“.
Jetzt wollen Sie vor Ort die schon bestehende Massenunterkunft ausbauen auf 7000 Menschen. Mit Wohnfläche von 2qm. In den Berliner Mindeststandards stehen 6 bis 9qm. Dabei war letzte Woche keines von 300 Kindern in Kita oder Schule. Es gibt immer noch Duschen oder Waschmaschinen vor Ort.
Außerdem sind keine Besuche vor Ort zugelassen. Das führt zu Isolation. Ich verstehe auch, dass viele da von Ghettoisierung sprechen. Die Ursache der letzten großen Massenschlägerei von November ist immer noch nicht aufgeklärt, obwohl der Senat das versprochen hatte. Bekannt ist nur, dass bei der Security vor Ort danach Leute untergetaucht sind.
Die Hangars sind schon die schlimmste Unterkunft Berlins. An vielen anderen Stellen ist es jedoch auch schlimm. Denn es ist unbestritten, dass Menschen, für die wir verantwortlich sind, in sozialen Einrichtungen dieses Landes hungern müssen, weil sie ihr Geld nicht ausgezahlt bekommen. Unbestritten sind auch die langen Schlagen vor dem LAGeSo, die zu Erfrierungen und Krankheiten führen. Manche Betreiber hindern aus Fürsorgepflicht ihre Bewohner an der Fahrt zum LAGeSo.
Und dann kommt auch noch diese furchtbare Nachricht gestern. Eine ganze Stadt hält den Atem an. Gott sei Dank hat es sich letztlich nicht bewahrheitet. Der offensichtlich völlig überarbeitete Helfer verdient jetzt Hilfe und Unterstützung. Aber das wichtige ist: Jeder konnte es sich vorstellen. Der Grund dafür ist simpel: Es ist vorstellbar. Immerhin verheißen der ermordete kleine Mohammed und die vier Fehlgeburten, die es angeblich vor Ort aufgrund der Umstände gegeben hat, nichts Gutes.
Ich würde mir wirklich wünschen, dass der Satz „Beim Warten auf Unterstützungsleistungen auf dem Amt ist jemand erfroren.“ Lacher und Häme nach sich zieht, weil jeder weiß, dass so etwas in Deutschland, in Berlin selbstverständlich unmöglich ist. Stattdessen sagte Czaja gestern in der Abendschau selbst „Wir können nicht ausschließen, dass schon jemand gestorben ist.“.
Sie haben Anfang des Jahres doch gesagt, dass es deutlich besser wird. Sie haben es versprochen. „Sie werden niemanden ohne Termin sehen.“ sagten Sie gestern. Das ist zynisch, da Termine dutzendfach verschoben werden. Ich kenne selbst welche, die fünfmal wieder weggeschickt wurden.
Zynisch ist auch zu sagen, Sie wollten die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Helfern und ihre Unterstützung in den Flüchtlingsunterkünften nicht missen. Als wenn das ginge. Wenn die Ehrenamtlichen ihre Arbeit einstellen würden, dann würde das katastrophale Konsequenzen nach sich ziehen. Nach einem halben Jahr müssen sie vor Ort immer noch die Arbeit der Verwaltung dort leisten. Ihnen gebührt daher unsere Arbeit und unsere Anerkennung.
Gleichzeitig wollen Sie eine neue Behörde einrichten, die weder an der Situation in den Unterkünften noch an der Situation in der Turmstraße etwas verbessern würde. Ein Konzept soll dafür erst Ende Februar vorliegen. Trotzdem wollen Sie den Entwurf heute beschließen. Sie selbst haben die Einrichtung der Behörde bereits um 7 Monate verschoben.
Sie sind es also, die sich in Widersprüchen verwickeln und eine Zusammenarbeit erschweren.
– Sie erklären die Änderung des THF-Gesetzes für unausweichlich, um eine Massenunterkunft einzurichten, können aber nicht erklären, warum sie nicht endlich alle Anstrengungen mobilisieren, um Wohnungen zu nutzen und Bestandsgebäude herzurichten. Dem werden wir nicht zustimmen.
– Sie laden zu Veranstaltungen ein, auf denen Alternativkonzepte präsentiert werden, die Sie dann komplett ignorieren. Sie legen sich mit 740.000 Menschen an, halten die Zivilgesellschaft in Atem, ändern ein Volksgesetz, nur um zwei kleine Streifen am Rande des Vorfelds zu nutzen. Diese Energie hätte man so viel sinnvoller nutzen können. Dem werden wir nicht zustimmen.
– Sie bringen neue Behörden ins Spiel, für die es kein Konzept gibt und die nichts verbessern. Dem werden wir nicht zustimmen.
– Sie reden von gemeinsam und handeln allein. Dann sparen Sie sich die Schönwetterreden lieber ganz. Machen Sie am besten einfach Ihren Job!