Stimmen­splitting zur AGH16? Ein paar Empfeh­lungen

Im Gegensatz zu den USA oder dem Verei­nigten König­reich wird die Zusam­men­setzung des zukünf­tigen Berliner Abgeord­ne­ten­hauses komplett durch die abgege­benen Zweit­stimmen beein­flusst. Die Erststimmen haben darauf keinen Einfluss. Dement­spre­chend wenig Energie verwenden die Parteien auf den Erststim­men­wahl­kampf. Auch wird im Wahlkampf selten unter­schieden, welche Stimmen man bevorzugt, da die wenigsten Wähle­rInnen bei der Stimm­abgabe durch sogenanntes Stimmen­splitting unter­scheiden. Ein Plakat „Wählt Grüne, außer mit der Direkt­stimme!“ wird man nicht sehen. (Obwohl es gelegentlich Absprachen geben soll.)
Für die jeweils direkt Antre­tenden kann die Stimme aber natürlich einen großen Unter­schied machen oder auch Karrieren jäh beenden. Wie etwa beim ehema­ligen Landeschef Jan Stöß, der im Bezirk Mitte in Wahlkreis 2 gegen Carola Bluhm von den Linken antritt, aber nicht über die SPD-Bezirks­liste abgesi­chert ist. Manche Kandi­die­renden leisten schon seit vielen Jahren großartige Arbeit im Abgeord­ne­tenhaus, haben aber keine oder nur geringe Chancen, über die Parteien einzu­ziehen und ihre Arbeit dort fortzu­setzen. Hier ein kurzer, extrem subjek­tiver Über­blick über Kandi­die­rende, die ich selbst kennen­lernen durfte und bei denen sich ein Stimmen­splitting anbieten würde.

Alle Direkt­kan­di­die­renden könnt ihr euch hier anschauen, ihre jewei­ligen Chancen laut Wahlum­frage vom 12.9. hier.

Fried­richshain-Kreuzberg 1: Björn Eggert

Natürlich unter­stütze ich in WK 1 meinen PRTXHN-Kollegen Ulli Zedler. Aber wer partout nicht Piraten wählen will oder eh schon immer grün gewählt hat, sollte mal darüber nachdenken, mal einen SPD-Kandi­daten zu wählen.

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Björn Eggert ist nicht unbedingt der sicht­barste Abgeordnete und seine Tweets nicht immer gramma­ti­ka­lisch fehlerfrei. Aber er legt sich für seine Themen Jugend und Familie ins Zeug ist für die Menschen ansprechbar. Dabei scheut er auch inter­frak­tio­nelle Zusam­men­arbeit nicht. Dass beispiels­weise der Antrag gegen die Diskri­mi­nierung von Flücht­lings­kindern bei der Kitaplatz­vergabe im Parlament angenommen wurde, ist auch ihm zu verdanken. Beim Runden Tisch Kreuzberg ist er neben mir der einzige Abgeordnete, der sich dafür den Kalender frei macht, was ich ihm hoch anrechne.
Durch seine Niederlage auf dem Kreis­par­teitag gegen Sven Heinemann steht er nur auf dem wenig aussichts­reichen vierten Listen­platz. Und da seine Karrierech­ancen als Stößianer aktuell eher über­schaubar sind, würde er der Politik bei einer Niederlage wohl erst einmal ganz verloren gehen. Das wäre schade. Seine Gegen­kan­di­datin Kathrin Schmid­berger auf der anderen Seite wird dem AGH durch ihren 17. Platz auf der Landes­liste definitiv erhalten bleiben.

Fried­richshain-Kreuzberg 4: Clara Herrmann

Ich oute mich direkt mal als Fan der Arbeit von unserem Stadt­ent­wick­lungs­ex­perten, Frakti­ons­vor­sit­zenden und WK 4-Kandi­daten Ralf Gerlich. Und mit den Umfra­ge­werten von 2011 wäre vielleicht auch mal ein Fried­richs­hainer Direkt­wahl­kreis für die Piraten zu holen. Aber aktuell ist das wohl eher nicht drin. Wer also noch hin und her gerissen ist, sollte bedenken, dass die grüne Clara Herrmann gar nicht auf ihrer Landes­liste steht. Grund dafür war wohl, dass die Frauen in den beiden sich nicht einigen konnten. Mehr speku­liert wird in diesem aktuellen Portrait über sie.

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Unabhängig davon was nun stimmt, würde ihre Arbeit den Grünen und dem AGH definitiv fehlen. Zum Einen als Sprecherin gegen Rechts­ex­tre­mismus, in dem sie Stand­fes­tigkeit und Sachkun­digkeit bewiesen hat – in Zeiten, in denen jeden Tag drei Angriffe auf Flücht­lings­un­ter­künfte erfolgen, sollte das nicht sein! Und zum anderen als meine Haupt­aus­schuss-Kollegin und finanz­po­li­tische Sprecherin, die dann zusammen mit dem Zahlen-Guru Jochen Esser gemeinsam rausro­tieren würde. Jetzt wo demnächst mit „SIWA 3“ wieder ein neuer Neben­haushalt gebildet wird, braucht es eher mehr als weniger Finanz­ex­per­tinnen. Ihre Abschiedsrede hat sie schon gehalten, da der WK 4 der einzige Wahlkreis ist, in dem die Grünen wenig Sonne­blume sehen. Dabei sind Steffen Zillich (Linke) und Susanne Kitschun (SPD) Seite über ihre jewei­ligen Listen abgesi­chert und bleiben dem AGH in jedem Falle erhalten.

Pankow 5: Sören Benn

Ich kenne Sören von der Arbeit im Arbeits­aus­schuss, in dem er seit 2013 als Referent für die Themen Wirtschaft, Arbeit, Integration & Parti­zi­pation zuständig ist.dsc_0104Von 2010-2011 war er persön­licher Referent von Wirtschafts­se­nator Harald Wolf und danach Mitar­beiter des Bundes­tags­ab­ge­ord­neten Thomas Nord. Auf der Landes­liste ist er gar nicht. Zusammen mit Niklas Schrader ist er von zwei wähl­baren linken Frakti­ons­mit­ar­beitern.
Sein SPD-Kontrahent Torsten Schneider, schon zweimal Wahlkreis­sieger, finanz­po­li­ti­scher Sprecher und Parla­men­ta­ri­scher Geschäfts­führer, ist natürlich über die Liste (Platz 2) abgesi­chert. Laut Election.de ist Pankow 3 äußerst umkämpft, das heißt Schneiders Thron könnte kippeln und Sören bald selbst im Ausschuss das Wort ergreifen.

Lichtenberg 5: Ole Kreins

Die SPD ist ja so ein bisschen wie der nervige Onkel auf der Famili­en­feier: Nimmt dich nicht ganz ernst, weiß alles besser und tut immer so, als wenn ihr die ganze Party gehört. Und genauso ist auch Ole Kreins. Eigentlich kann ich mich an kein Gespräch erinnern, wo er mir nicht mit seiner bräsigen Art auf die Nerven gegangen ist. kreins_oleAber Politik ist halt nicht nur Sympa­thie­punkte abgreifen, sondern ein bisschen mehr als das. Ole ist nicht nur sehr kompetent in der Verkehrs­po­litik, sondern auch ehrlich im Umgang und hält sich an Absprachen. Da Andreas Geisel jetzt gänzlich auf die Landes­ebene wechselt und Platz 2 ein Frauen­platz ist, bleibt dem Kreis­vor­sit­zenden nur der schwer vermit­telbare dritte Platz auf der Bezirks­liste.
Und ja, ich finde die Verkehrs­po­litik der SPD auch grauenvoll. Aber dadurch dass deren Abgeord­neten noch weniger Ahnung davon haben, wird sie auch nicht besser. Wenn ihr also wollt, dass LiHo WK 5 gleich von drei guten Leuten vertreten wird, dann gebt euch nen Ruck und wählt Ole Kreins. Denn seine Kontra­hentin Hendrikje Klein ist Platz 3 der linken Landes­liste, Stefan Taschner Platz 6 der grünen.

Tempelhof-Schö­neberg 4: Markus Klär

Der „CDU-Rebell“ ist, wenn es gerade nicht um Tempelhof geht, eigentlich eher ein sehr fleißiges Arbeit­stier im Haupt­aus­schuss.

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Dort spricht er auch mal Klartext und lässt der Verwaltung – unabhängig von der Partei­zu­ge­hö­rigkeit – nicht alles durch­gehen. Ansonsten ist er verläss­licher Ansprech­partner für alle Anliegen von innerhalb und außerhalb des Parla­ments. Nebenbei arbeitet er noch in einer Branden­burger Behörde und kämpft als Vorsit­zender der Lesben und Schwulen-Union für die recht­liche Gleich­stellung.Wie er das alles zeitlich schafft und dabei auch noch Boden­haftung bewahrt und warum er das nicht bei einer richtigen Partei tut, entzieht sich meiner Kenntnis. Leider ist seiner Partei das alles nur ein Platz 5 auf der Bezirks­liste wert. Von daher ist die Wahl nämlich recht einfach. Denn sein SPD-Kontrahent ist der Regie­rende Michael Müller, der eh über die Bezirks­liste abgesi­chert ist und der als Bürger­meister wohl auch keine ernst­hafte Zeit für ein Mandat hat (dass die Vermi­schung von Exekutiv- und Legis­la­tiv­funktion ist vielen Staaten unzulässig ist, kommt noch hinzu). Insofern ist TS 4 tatsächlich ein Wahlkreis, wo man mal experi­men­tieren kann – zum Beispiel durch ein Stimmen­splitting zugunsten von jemandem dieser etwas sonder­baren Westpartei.

Das war eine kurze Über­sicht über Kandi­die­rende, die dem nächsten Abgeord­ne­tenhaus fehlen würden. Falls ihr Kommentare oder Hinweise habt, oder selbst Leute kennt, die noch fehlen würden, her damit.

 

Ein Kommentar zu “Stimmen­splitting zur AGH16? Ein paar Empfeh­lungen

  1. Hallo, zunächst: Danke für diese Empfehlungen und diese Einblicke zu diesen Abgeordneten. Das war sehr aufschlussreich und hilfreich.

    Könntest du allerdings noch die Lizenzangaben für die Bilder ergänzen? Das wäre nicht nur lizenzrechtlich notwendig, sondern auch eine Wertschätzung gegenüber den (größtenteils) ehrenamtlichen Fotograf*innen.

    Danke.

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