Derzeit wird viel über Begriffe wie Kontingente, Obergrenzen und Resettlement gesprochen und gestritten. Dabei ist vielen Menschen, auch Politiker*innen, offensichtlich nicht klar, was diese Begriffe genau bedeuten. Es fällt insbesondere auf, dass der Begriff des Kontingents immer häufiger mit einer Obergrenze an Geflüchteten gleichgesetzt wird – dabei hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Um eine Klärung des Begriffwirrwarrs soll es in diesem Artikel gehen.
Dass Staaten die Aufnahme von sogenannten Flüchtlingskontingenten beschließen sollen, ist eine Forderung, die viele Organisationen, allen voran UNHCR, seit Jahren äußern. Bisher war das also vor allem eine Forderung von Seiten derer, die die Aufnahme von Geflüchteten ausweiten und humaner gestalten wollten. Wenn Menschen aus einer Krisenregion in ein anderes Land fliehen, dort aber keine dauerhafte Lebensperspektive haben und daher in einem Drittstaat neuangesiedelt werden, spricht man von Resettlement. UNHCR, mit deren Unterstützung viele der Resettlement-Programme durchgeführt werden, bezieht diesen Begriff dabei ausschließlich auf „besonders verletzliche Personen“ (z.B. Folteropfer, unbegleitete Flüchtlingskinder). Für ein solches Programm werden Kontingente vereinbart, wobei laut UNHCR derzeit ca. eine Million Plätze weltweit benötigt werden, es aber nur für ein Zehntel davon Resettlement-Vereinbarungen gibt. Der Resettlement-Bedarf entspricht dabei etwa acht Prozent der insgesamt Geflohenen. Die meisten Geflüchteten werden in diesem Rahmen derzeit von den USA, Kanada und Australien aufgenommen. Neben dem von UNHCR durchgeführten Programm gibt es in einigen Staaten zusätzlich auch eigenständige Resettlement-Maßnahmen nach anderen Kriterien, z.B. in Kanada.

Die Vorteile von einem Resettlement-Programm sind für die aufnehmenden Staaten zum einen eine gewisse Kontrolle und Planungssicherheit. Den geflüchteten Menschen auf der anderen Seite öffnet sich so ein legaler Weg der Flucht. Zudem sind die herkömmlichen „illegalen“ Fluchtrouten voller Gefahren – von extremen physischen und psychischen Belastungen bis hin zum Tod. Viele Geflüchtete sind gar nicht in der Lage, diesen Weg anzutreten, beispielsweise aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen. Aufnahmekontingente in Deutschland und der EU retten also nicht nur Menschenleben, sondern können auch insbesondere Menschen zugute kommen, für die eine strapaziöse Reise nicht in Frage kommt.
Ein Kontingent ist nun aber keinesfalls mit einer Obergrenze für die Zuwanderung Geflüchteter gleichzusetzen. Zum ersten sind Obergrenzen kaum umsetzbar, denn Menschen werden immer fliehen und wandern, insbesondere dann, wenn die Lebensbedingungen weltweit so unterschiedlich sind und darüber hinaus in vielen Gegenden Unruhen und Kriege herrschen. Zum zweiten gilt nach wie vor die Genfer Flüchtlingskonvention, die vor über 60 Jahren verabschiedet wurde und bestimmten Personengruppen Schutz und Asyl gewährt. Dass Obergrenzen rechtlich kaum umsetzbar sind, da sie auch gegen die EU-Grundrechtecharta verstoßen, bestätigte nun auch der Wissenschaftliche Parlamentarische Dienst des Bundestags.
Auf dieses Grundrecht auf Asyl haben Kontingente keinerlei Auswirkungen. In Deutschland wird seit dem Jahr 2012 regelmäßig ein Kontingent von 300 besonders schutzbedürftigen Menschen aufgenommen. Diese Zahl wurde 2015 auf 500 erhöht – in Anbetracht der derzeitigen Situation ist das natürlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Auch muss gesagt werden, dass diese Personen nicht als anerkannte Flüchtlinge (§ 25 Abs. 1 und 2 AufenthG) aufgenommen werden und nach drei Jahren den Anspruch auf eine Niederlassungerlaubnis haben, sondern erst nach fünf Jahren eine Daueraufenthaltserlaubnis erhalten können, wenn weitere Bedingungen erfüllt sind (§ 23 Abs. 2 AufenthG).
Darüber hinaus wurden in Deutschland zwischen Mitte 2013 und Mitte 2015 30 000 geflüchtete Syrer durch temporäre Bundes- und Landesprogramme aufgenommen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Maßnahmen, die den Menschen eine langfristige Perspektive bieten sollen. Der Aufenthaltstitel wird für maximal zwei Jahre erteilt, der Familiennachzug ist nur im Ausnahmefall möglich und Integrationsmaßnahmen werden zum Teil, je nach Programm, erschwert (Aufnahme nach § 23 Abs. 1 bzw. 2 AufenthG). Immerhin blieb den so eingereisten Menschen die lebensgefährliche Flucht über das Mittelmeer erspart, wobei für viele der aufgenommen Personen eine solche Reise gar nicht erst möglich gewesen wäre. Die Einreise der aufgenommenen Geflüchteten erfolgte, wie auch im Resettlement-Programm üblich, über gecharterte Flugzeuge.
Das durchgeführte Resettlement-Programm für Deutschland ist Teil einer EU-weiten Maßnahme in Kooperation mit UNHCR. Innerhalb der EU wurden im Jahr 2012 darüber 4405, 2013 5449 und 2014 5535 Menschen aufgenommen, wobei das kleine Land Schweden mit jährlich bis zu 1900 Personen die größte Gruppe aufnahm.
Ganz anders die Situation in Kanada. Das Land agiert seit Jahrzehnten deutlich zuverlässiger in Bezug auf Resettlement. Bereits seit 1978 werden Geflüchtete neu angesiedelt und im Jahr 2014 wurden etwa 13 900 Geflüchtete im Rahmen von Resettlement-Programmen aufgenommen. Dies ist zwar im Verhältnis zu den knapp 36 Millionen Einwohnern immer noch eine sehr geringe Zahl, aber dennoch liegt sie viel höher als in der EU.
Dass Kanada auch deutlich flexibler als Deutschland und die EU auf aktuelle Krisen reagieren kann, zeigte sich im November als angekündigt wurde, bis Ende 2015 (das wurde inzwischen auf Ende Februar 2016 korrigiert) 25 000 Syrer aufzunehmen. Bis heute sind ca. 1200 Geflüchtete aus Syrien angekommen, der Bewerbungsprozess läuft für gut 18 000 weitere. In Kanada erhalten Personen, die über dieses Programm aufgenommen werden, sofort ein Daueraufenthaltsrecht (permanent residency) und auch Integrationsmaßnahmen laufen gleich an. Staat und Gemeinden sehen die Geflüchteten, anders als in Deutschland, als neue Mitbürger*innen an.

Abschließend kann man sagen, dass der Weg über Kontingente aus menschlicher, aber auch zwischenstaatlicher Sicht nötig ist – in Ergänzung zum bestehenden Grundrecht auf Asyl. Er kann gefährliche Fluchtrouten verhindern und besonders schutzbedürftigen Menschen eine Perspektive bieten. Kontingente können auch in den Erstzufluchtsländern die Bedingungen verbessern und die jeweiligen Staaten und zurückbleibenden Geflüchteten entlasten. Sie eröffnen einen legalen Ausweg für Menschen, denen nicht viel geblieben ist und können potentiell Tausende Menschenleben retten. Dafür ist es allerdings nötig, dass über eine drastische Anhebung der Kontingentzahlen gesprochen wird. Die derzeit in Deutschland durch Resettlement aufgenommen 500 Menschen jährlich sind natürlich ein Witz. Die Zahl muss wohl vertausendfacht werden, um einen deutlichen Unterschied zu machen. Zudem müssen sie aufenthaltsrechtlich einen Status als Geflüchtete mit allen in der Genfer Flüchtlingskonvention garantierten Rechten erhalten und alle Integrationsangebote nutzen dürfen. Von der unsinnigen Debatte um Obergrenzen sollte das Thema jedoch sorgsam getrennt werden.