Populisten-Tanz beenden, jetzt!

Liebe Welt, liebe Julis, lieber Rest,
gestern veröf­fent­lichte FDP-Politiker Tobias Huch ein Foto von Mitgliedern der Jungen Liberalen, die im Rahmen ihrer Bundes­kon­ferenz in Saarbrücken ein Trans­parent hochhielten. Auf diesem stand: „Schulden-Sirtaki beenden? Dann FDP wählen!“ (Hier der Link zum Foto) Nachdem ich dieses Bild sah, kriti­sierte ich es auf Twitter als das, was es war: Billiger Rechts­po­pu­lismus mit „leichtem Hang“ zum Rassismus. Damit hätte das Kapitel für mich auch beendet sein können. Aber leider haben weder die JuLis selbst, noch manche Medien anscheinend wirklich verstanden, was das eigent­liche Problem hinter der Sache ist. Daher fühle ich mich doch aufge­fordert, dies hier noch einmal in lang zu erklären:

Die Julis kriti­sieren die saarlän­dische Finanz­po­litik bzw. die vermutete Finanz­po­litik der kommenden rot/schwarzen Regierung. An der Forderung „Schulden-Tanz beenden!“ ist nichts auszu­setzen, auch wenn man eine andere politische Position vertritt. Durch die Ersetzung des deutschen Wortes „Tanz“ durch das griechische Äqui­valent „Sirtaki“ bekommt sie jedoch eine ganz neue Dynamik. Vorgeblich wollen die JuLis durch einen Politik­wechsel verhindern, dass die deutsche Bevöl­kerung durch verschwen­de­rische Politik später zu genau so harten Sparmaß­nahmen genötigt wird, wie die griechische Bevöl­kerung. Ein lobens­werter Akt der Solida­rität also? Wohl kaum. Aber selbst wenn das die Absicht gewesen sein sollte – das ist hier nicht die Frage. Denn es kommt schlicht etwas anderes rüber.

Die Bild-Kampagne hat die deutsch-griechi­schen Bezie­hungen nachhaltig beschädigt!

In einer langen und inten­siven Kampagne zeichnete u.a. die Springer-Presse von den Griechen ein Bild als einer faulen Volks­gruppe/Rasse, die wenig arbeitet und früh in Rente geht. Diese Kampagne, zum Teil unter­stützt von der Bundes­re­gierung, hat die deutsch-griechi­schen Bezie­hungen nachhaltig beschädigt und die Tore für eine neue Art von Rechts­po­pu­lismus und Rassismus wieder weit aufge­stoßen. An dieser Form von Politik dürfen wir uns – wenn Toleranz und Anerkennung für uns wichtige Werte sind – in keiner Form betei­ligen, auch nicht durch unter­be­wusste Botschaften. Die Gleich­setzung von Schul­den­po­litik mit „Griechen“ oder „griechisch“, die durch das Plakat der Jungen Liberalen erfolgte, appel­liert an genau diese durch u.a. Springer geschürten Ressen­ti­ments, dass die Griechen an ihrer Schul­den­krise vor allem durch indivi­du­elles Fehlver­halten selbst Schuld seien. Eine Message, die auch impli­zieren kann, dass die Selbst­ver­schul­deten sich nun auch selbst aus ihrer Situation helfen müssten, was von der Kernmessage der FDP, Selbst­ver­ant­wortung, ja auch nicht allzu weit entfernt liegt.

Rassismus kann sich auch hinter verklau­su­lierten Menta­li­täts­be­zügen verstecken.

Kommentare wie „Seit wann sind denn Griechen eine Rasse?“, die ich auf Twitter las, zeigen einfach nur eine unglaub­liche Unkenntnis darüber, was eigentlich das Wesen des Rassismus ist. Rassismus ist die Einteilung von Menschen in vermeint­liche Rassen und die Bewertung von Menschen anhand dieser Zuordnung. Heutiger Rassismus/Rechts­po­pu­lismus wird jedoch nicht mehr nur anhand biolo­gi­scher Merkmale sichtbar, sondern vielmehr in der Vorstellung gewisser sozialer bzw. vorgeblich menta­li­täts­ge­prägter Verhal­tens­weisen von Menschen, abhängig von deren Staats­an­ge­hö­rigkeit. Die Hetzkam­pagne gegen Griechenland und seine Bürger hat Resen­ti­ments gegen diese aufgebaut.“Der Grieche an sich ist faul.“ oder „Wir wollen keine grichi­schen Verhält­nisse“ stehen hinter diesen Resen­ti­ments und somit der von den JuLis gestellten Forderung. Darüber hinaus wird „der an sich faule, korrupte Grieche“ in Gegensatz zum „fleißigen, sparfreu­digen und verant­wor­tungs­be­wussten Deutschen gesetzt“. Hier spielen auch die vermeint­liche Über­le­genheit der „nordi­schen Völker“ eine Rolle. Die Kernaussage lautet hierbei „Die Deutschen sind so erfolg­reich, weil sie besser arbeiten, als die faulen Südeu­ro­päer, die den ganzen Tag Siesta machen“. Eine grund­sätz­liche Kritik an diesem Wirtschafts- und Wachs­tums­ver­ständnis wird nur noch von der Ignoranz darüber getoppt, dass die Schulden Griechenland die Gewinne Deutsch­lands sind. Es ist schließlich eine große Leistung einem NATO-Land Militär für den Kampf gegen ein anderes NATO-Land zu verkaufen (hierbei wurden alte Ressen­ti­ments zwischen Griechenland und der Türkei bedient, um Profit zu machen)

Der Diskurs um die „struk­turell faule Menta­lität“ Griechen­lands bedient sich alter rassis­ti­scher Vorstel­lungen, um die zweifel­haften Geschäfte zu legiti­mieren. Und gerade deswegen ist die Wortwahl nicht egal, wie die Berliner JuLis hier nahelegen wollen. Daher wäre mein Twitter-Kommentar „Absicht klar, deswegen sind die Wörter okay, verstehe schon“ auch sehr leicht als ironisch zu erkennen gewesen. Auch wenn die Absicht dahinter nicht die explizite Diffa­mierung einer Volks­gruppe, sondern die Kritik an einer bestimmten politi­schen Linie ist, wird diese Kritik in einem rassis­ti­schem Tenor vorge­bracht á la „Ihr wisst, was wir meinen, ne, hier Griechen sind halt nicht so fleißig wie wir (Augen­zwinker)“ Dabei werden Gräben zwischen Menschen gezogen, die unnötig und vor allem gefährlich sind. Die Debatte um den Nordeuro ist seit Monaten im Kern rassis­tisch. Davor habe ich bereits hier gewarnt.

Auf die möglichen Probleme bei der Thema­ti­sierung der Schul­den­pro­ble­matik aufmerksam zu machen, wäre die eigent­liche Aufgabe einer Jugend­or­ga­ni­sation.

Es geht hier ja nicht nur um ein Plakat in einem Wahlkampf. Christian Lindner hat ja bereits angekündigt, dass es im NRW-Wahlkampf vor allem um das Anprangern der rot-grünen „Schul­den­po­litik“ gehen soll. Es geht hier also schon einmal mindestens um drei Wahlkämpfe in drei Bundes­ländern und damit – falls sich die Strategie als erfolg­reich heraus­stellen sollte – auch um den langfris­tigen Kurs der ganzen Partei. Bloß dass in diesem Thema angesichts der aktuellen Situation in Europa ein unglaub­liches Missbrauch­spo­tential verbirgt, das in der Lage wäre, die Bezie­hungen der europäi­schen Länder unter­ein­ander nachhaltig zu schä­digen. Eine politische Organi­sation hat nicht nur die Pflicht, eine Message zu haben, sondern auch diese geeignet zu versenden! Dazu gehört auch, dass mögliche Konse­quenzen dieser Message mit bedacht werden. Dass die JuLis das weder erkennen, noch anerkennen wollen, ist ihrer nicht würdig, denn dafür halte ich sie eigentlich für zu intel­ligent. Darauf aufmerksam zu machen, wäre bei aller Loyalität zur Mutter­partei auch die Aufgabe der an einem langfristig harmo­ni­schen Europa inter­es­sierten Jugend­or­ga­ni­sation, die sich auch immer wieder gerne als kritisch insze­niert. Dass nun statt­dessen genau diese Ressen­ti­ments über­nommen und latent verstärkt werden, hat mich extrem enttäuscht.

Update: Und weiter gehts mit dem Appel­lieren an Ressen­ti­ments. In Mettmann schimpft der frisch nominierte Spitzen­kan­didat Christian Lindner auf die rot-grüne Landes­re­gierung und sagte Rote und Grüne seien „die letzten Griechen Europas“ gewesen. Kritik an vermeintlich unseri­öser Finanz­po­litik kann man auch anders formu­lieren, Herr Lindner!

18 Kommentare zu “Populisten-Tanz beenden, jetzt!

  1. Hoffentlich kommen deine Worte dort an, wo sie hingehören, denn das Papier mit der Aufschrift: BILD hat bisher ganze Arbeit geleistet. Meine Endlosdiskussionen am Arbeitsplatz und in meinem privaten Umfeld werden teilweise nur noch belächelt…ich werde künftig „hierher“ verweisen…
    Danke, Fabio…

  2. Bravo! Und selbst wenn es kein Rassismus ist, Volksverhetzung ist es auf jeden Fall, das ist schon schlimm genug.

  3. Ein wirklich guter und wichtiger Beitrag. Solchen scheinbar harmlosen Formulierungen sollte jeder von uns entschieden entgegentreten.
    Es stimmt mich nachdenklich, zu sehen wie Politiker der Mitte immer häufiger populistische Phrasen verwenden und damit durchkommen. Da spielt die Parteifarbe keine Rolle. Gegen Fremde zu poltern (bzw. hetzen) ist schon lange kein Tabu mehr. Ich kann nur jedem empfehlen, soweit möglich, die Menschen direkt zur Rede zu stellen und nachzuhaken. Das sollte uns Europa wert sein.

  4. Unterhalb der Rassismus-Keule geht wohl heutzutage nichts mehr in der Politik. Von mir aus – ich muss es ja nicht ernst nehmen. Auffällig ist allerdings, dass sich vor allem Leute aufregen, denen der Schuldenstand deutscher Länder (vermutlich auch der anderer Eurozonenmitglieder – ich will mich ja hier nicht auch noch des Rassismus gegen Deutsche verdächtig machen) regelrecht am Allerwertesten vorbeigeht, wenn sie sich neue teure Volksbeglückungen ausdenken.

    @Reinhard: Dürfen wir damit rechnen, dass du folgerichtig Anzeige gegen die Jungen Liberalen wegen Volksverhetzung erstatten wirst? Wäre jawohl das Mindeste an Zivilcourage, was man nach einem solchen Vorwurf deinerseits erwarten könnte. Auf das Urteil bin ich jetzt schon sehr gespannt!

  5. Ich fänd’s gut, wenn wir uns den Begriff „Rassist“ tatsächlich für Menschen vorbehalten, die denken, dass sich Menschengruppen so massiv genetisch unterscheiden würden, dass man da von „Rassen“ sprechen könnte bzw. dass diese genetischen Unterschiede sich in unterschiedlichem Verhalten äußern würden.

    Dass solche biologischen Unterschiede hervorgehoben werden, passiert mir gegenüber jedoch relativ selten. Ohne explizite Kenntnis darüber, welchen Irrgläuben diese Menschen noch erliegen, kann ich dann nur von Xenophoben und/oder Nationalisten und/oder Fremdenfeindlichen sprechen – und genau eines dieser Wörter sollte man dann auch verwenden, wenn man den Diskurs auf einem sachlichen Niveau halten will (bzw., wenn man kein alleinstehendes Wort braucht, kann man auch Variationen/Kombinationen mit „diskrimieren“ benutzen).

  6. Danke für die Reaktion, die Kommentare von Tobias Huch waren unter aller Kanone.
    Das wirklich Lustige (weil Erbärmliche) daran ist ja, daß die FDP überhaupt nichts dagegen hat, der deutschen Bevölkerung genauso eine Schraubzwinge wie der griechischen Bevölkerung anzusetzen, wenn es nur dem Profit dient.
    Dem Profit der deutschen Firmen selbstredend.

  7. Sorry, aber das ist doch herbeikonstruiert. Da steht „Schulden-Sirtaki“ und die Griechen dind nun mal drastisch verschuldet. Das ganze Zeug von wegen „faul“ stand in der Blöd, aber nicht auf dem Transparent. Und aus jedem Verweis auf Griechenland und Schulden nun eine Zustimmung zu der dämlichen Bild-Kampagne zu basteln, ist lächerlich.

  8. Ich war ja bei der Aktion dabei. Und ich habe seitdem großen Spaß am Sirtaki-Tanzen. Völkerverständigung per Wahlkampf sozusagen(da waren übrigens auch Liberale griechischer Abstammung dabei). Die „Herleitung“ des Rassimus-Vorwurfes ist so dermaßen kosntruiert, dass hiernach jede Herabwürdigung von Kölnern (durch Düsseldorfer), Offenbacher (durch Frankfurter) Bayern durch Berliner, Rassimus und Populismus darstellen würde. Kann es sein, dass diese Piraten auch zu denen gehören, die nicht die deutsche Nationalhymne mitsingen, weil sie sich dann gleich als Nazis fühlen? Dass der Pirat angesichts dieses Wahlkampfgags der JuLis plötzlich anfängt von überlegener nordischer Rasse zu faseln offenbart vielmehr die Denkmuster des Piraten selbst, der bemüht ist ausschließlich nette Dinge über „südliche“ Völker zu sagen, damit niemand merkt, was er dabei gleichzeitig wirklich im Kopf hat…. Ich persönlich mag die Griechen und Griechenland sehr. Genauso wie ich Bremer und Berliner mag. Das ändert aber nichts daran, dass man sich mit Metaphern mit entsprechend lokalem Bezug bedienen darf, um die dortigen Verhältnisse plakativ zu nutzen, um klarzumachen, dass auch hierzulande ähnliche Verhältnisse drohen könnten…

    P.S. den Bild-Artikel kenn ich nicht. (sowas lese ich nicht), aber einen Verweis auf Überschuldung als „Faulheit“ der dort lebenden Menschen umzuinterpretieren ist schon ein Kunststück kreativer Denkverbiegung…

    P.P.S. Danke für den Streisand-Effekt. Ich hatte bei der Aktion schon befürchtet, dass die Presse nicht darüber berichtet…..

  9. Worte beeinflussen das Denken.

    Je nachdem, welche Worte ich wähle, beeinflusse ich meine Denken und das meiner Umwelt. Ein „ist doch nicht so schlimm“ bei solchen Aktionen ist viel zu kurzsichtig und verantwortungslos.
    Ein Beispiel für meine These.. Kollateralschaden klingt doch ganz anders als.. bei einem Militäreinsatz aus Versehen getötete Kinder. Ein krasses Beispiel, ich weiß. Doch nur so kann ich verdeutlichen, was Worte mit uns machen.
    Fühlt selbst mal in euch rein, was ihr bei dem obigen Beispiel fühlt, was der Unterschied in der Empfindung ist.
    Aus diesem Grund ist es absolut notwendig achtsam mit dem zu sein, was wir sagen.

    ..und wer jetzt gedacht hat..“ jaaa aber denken beeinflusst doch das, was wir sagen.“ Der sollte sich ernsthaft Gedanken darüber machen. Das sagt dann ja ganz viel über die Aktion der Julis aus.

  10. Man sollte mit der Rassismus-Keule wirklich nicht so leichtfertig um sich werfen. Ob einem der Juli-Spruch gefällt oder nicht, das ist Ansichtssache, auf jeden Fall kein latenter Rassismus. Da muss ich Daniel absolut beipflichten. „Schulden-Sirtaki“ bezieht sich natürlich auf Griechenland, aber eben nur auf die griechischen Schulden, die die Julis in Deutschland nicht haben wollen, ganz einfach. Damit beziehen die Julis keinerlei Position im Sinne von „faule oder blöde Griechen, die keinen Bock haben, zu arbeiten“, sie beziehen auch keinerlei Position zu der Frage, wer in Griechenland Schuld an den Schulden hat, sondern setzen einen ganz einfachen Zusammenhang zwischen Griechenland + viel Schulden, der eigentlich ganz objektiv ist. Daraus jetzt so eine Debatte zu spinnen… habt ihr eigentlich nichts Besseres zu tun?

    • Wer den ganzen Blogpost gelesen hat, der weiß, dass die PM auch im Text oben verlinkt ist. Aber eine PM kann man wohl kaum als „Tatsache“ bezeichnen. Ich habe davon schon genug selbst geschrieben, um zu wissen, dass es einfach nur eine weitere Interpretation der Realität ist, ein Angebot an die Öffentlichkeit also, zudem eines, das in diesem Fall auf wesentliche Aspekte meiner Kritik gar nicht eingeht.

  11. die PM kann auch gar nicht auf deine Kritik eingehen, weil die zeitlich vor der ganzen Kritik war….

    Im Übrigen ist diese PM eine Tatsache, obs einem gefällt oder nicht. Sie wurde genauso, wie sie dort steht geschrieben und versendet.

  12. Dann bin ich mal gespannt ob man sich hier demnächst ähnlich empört wenn sich mal wieder wer auf dem Rücken der Amerikaner profiliert. Da scheint die geneigte Öffentlichkeit meist nicht so sensibel zu sein.

  13. @The Critic
    „Das wirklich Lustige (weil Erbärmliche) daran ist ja, daß die FDP überhaupt nichts dagegen hat, der deutschen Bevölkerung genauso eine Schraubzwinge wie der griechischen Bevölkerung anzusetzen, wenn es nur dem Profit dient.“

    Danke, für die Bestätigung! Schuldenabbau (also die Abwendung von Staatsbankrott und Hyperinflation!) ist also Etwas, dass einzig der Knechtung der Bürger dient und mitnichten in irgendeiner Weise nötig – klar, wer das so sieht, der muss sich über Forderungen, den Wahnsinn zu stoppen, wohl aufregen. Alles nur böse gemeinte Schikane, nicht wahr?

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