Heute berichtete die Taz über eine mögliche Einflussnahme des BMW-Konzerns auf den Senat bezüglich des Weiterbetriebs einer Flüchtlingsunterkunft in Charlottenburg. Vieles bleibt dabei unklar. Fakt ist: Die Unterkunft wurde 2010 unter dem damaligen rot-roten Senat in Betrieb genommenen. Es gab damals auch Schriftverkehr zwischen dem Senat und BMW, welches vorhatte, ihre Firmenrepräsentanz 2014 in der Nahe der Unterkunft zu errichten. Die Flüchtlingszahlen sind allerdings in den letzten Jahren angestiegen (die taz prognostizierte kürzlich noch 700-750 mangelnde Plätze zum Jahresende). Gleichzeitig sind in der Zeit die Mieten massiv angestiegen und die Flüchtlinge immer stärker in Nachteil geraten auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Dadurch ergibt sich ein höherer Bedarf an Gemeinschaftsunterkünften als Übergangslösung, bis der Senat es schafft, die Wohnungsfrage zu klären. Nun wird über eine Verlängerung diskutiert und dem Senat liegt von Seiten des zuständigen Landesamts für Gesundheit und Soziales ein unterschriftsreifer Vertrag vor, der die Verlängerung der Unterkunft über 2013 hinaus vornehmen würde. Rund 230 Asylsuchende bewohnen derzeit das Heim an der Stadtautobahn.
Ich habe mich in den letzten 18 Monaten sehr intensiv mit der Situation von Geflüchteten in Sammelunterkünften beschäftigt. Es ist offensichtlich, dass – auch wenn die Prognosen damals etwas anderes vorhersagten – der Vertrag nun doch verlängert werden muss. Er läuft nur noch 20 Tage und für das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales ist die mangelnde Planungssicherheit extrem belastend. Vor allem da es bis auf mögliche Vorbehalte von Seiten BMWs keine Gründe gegen einen Weiterbetrieb gibt. Warum der Senat seine Unterschrift bislang verweigert hat, wird nicht ganz klar. Es steht im Raum, dass der BMW-Konzern aktuell seinen Einfluss gegen eine Verlängerung der Unterkunft geltend macht wird. Warum auch nicht? Immerhin gab es damals einen Zeitplan und eine inoffizielle Abmachung. Da wäre es sogar sonderbar, wenn der Konzern nicht freundlich anfragt, ob die Zusagen von damals denn auch eingehalten werden. Es ist also nachvollziehbar und gar nicht unwahrscheinlich, dass es momentan einen intensiven Austausch zwischen dem Senat und BMW gibt. Das ist nicht exakt nachweisbar und spielt für mich nur eine untergeordnete Rolle. Aber selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, also keine Gespräche stattfinden, gibt es ja immer noch die Zusagen von 2010/2011, über die sich der Senat Gedanken macht, die also nachwirkend trotzdem Einfluss ausüben.
Der größte Unterschied zu damals ist sicher, dass es nach fast 15 Monaten durchgehender Diskussion über die Unterkunftssituation in Berlin und nach zahlreichen rechtsextremen Aufmärschen und NPD-Wahlkampf-Kampagnen gegen Unterkünfte eine große Sensibilisierung für das Thema in der Öffentlichkeit gibt. Meiner Einschätzung nach ist es nur diesem Hintergrund überhaupt zu verdanken, dass dieses Thema seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat und darüber nun hoffentlich genug Druck herrscht, um den Senat zur Unterschrift zu nötigen. Das stimmt mich hoffnungsfroh. Wer sich das größere Bild anschaut, läuft jedoch Gefahr, seine oder ihre positive Stimmung recht schnell zu verlieren.
Es zeigt sich nämlich eine beunruhigende Kontinuität in einer grundsätzlichen problematischen Entwicklung. Während in vielen Stadtgebieten in aller Eile Unterkünfte für Asylsuchende errichtet werden, um die höheren Zahlen von Antragsstellern zu bewältigen, wird hier augenscheinlich aus stadtentwicklungspolitischen Gründen zugunsten von Prestigeobjekten eine Schließung einer Unterkunft für Asylbewerber in Gang gesetzt. Dieser Senat ordnet alles dem großen Ziel der kapitalträchtigen Stadtentwicklung unter. Die Aufwertung des BMW-Standortes ist dabei ein Paradebeispiel, wie hinter der Image- und Politurpolitik sämtliche soziale Belange zurücktreten müssen. In diesem Fall sogar die Belange von Menschen, die aus Bürgerkriegsregionen zu uns geflüchtet sind. Infolge der Standortinteressen von BMW sind 230 Asylsuchende von der Obachlosigkeit bedroht. Menschenwürdige Asylpolitik und soziale Stadtpolitik – das ist ein Anspruch, den dieser Senat nicht erfüllen kann und offensichtlich auch nicht erfüllen will. Der Senat darf sich von seiner alles überlagernden Standort- und Aufwertungspolitik nicht zulasten seiner sozialräumlichen Aufgaben beeinflussen lassen.
Gleichzeitig muss natürlich auch betont werden, dass der Senat kein Allheilmittel sein kann. An der Sorge um Schutzsuchende müssen sich alle Berlinerinnen und Berliner beteiligen. Dazu zählen genauso die Hellersdorfer und Charlottenburger Bürgerinnen und Bürger, wie auch die BMW-Repräsentanz in Charlottenburg als Neu-Berliner. Die Aufnahme von Asylsuchenden ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich auch Unternehmen – gerade international agierende – stellen sollten!