Nur kurz hatten wir diskutiert, eine eigene Pressekonferenz zu „100 Tagen rot-schwarzer Senat“ zu machen. Beim heutigen Lesen dieses Artikels über die PK der Grünen war ich dann doch aber ganz froh, dass wir uns dagegen entschieden hatten. Klar – einerseits hätten wir auf einer PK, wie die Grünen, auch mal von unserer eigenen Arbeit berichten können und dabei eventuell sogar das eine oder andere Missverständniss klarstellen (oder zumindest zu aller Belustigung Revue passieren lassen) können. Und klar hätten wir auch zurecht einiges kritisiert, was in den ersten 100 Tagen Senat so schief gegangen ist. Wie beispielsweise die vermurkste Umgestaltung des Integrationssenats, inklusive teurer neuer Staatssekretäre und dem Vergraulen des sehr wichtigen Integrationsbeauftragten, Günter Piening.
Aber andererseits hat es sich beim Lesen des oben genannten Artikels so erschlossen, dass es für die Opposition ungeschriebenen Regeln gibt, nach denen man die Regierung nicht – auch nicht nur ein kleines bisschen – loben, sondern auch ja nur kritisieren darf. Insofern hätten wir es wohl leider verpasst, Sybille von Obernitz als Senatorin für Wirtschaft, Forschung und Technologie dafür zu loben, dass sie sich als parteilose Frau in einer parteidominierten Männerdomäne versucht und sich dabei nicht von vom Aufsichtsratschef von ‚Berlin Partner‘ „mit ebenso viel Erfahrung wie Sendungsbewusstsein“ (Berliner Zeitung) auf der Nase herumtanzen lassen will. Nun muss sie sich dafür, nachdem sie ihm erklärte, dass sie auf die hauptsächlich vom Land finanzierte Wirtschaftsfördergesellschaft mehr Einfluss nehmen will und dieser dafür noch am gleichen Tag sein Amt niederlegt, von anonymen Verbandsvertretern „aus Wirtschaftskreisen“ (wieder Berliner) kritisieren lassen. Doch nicht genug: Sauer sind auch ungenannte CDUler, weil sie besseres zu tun hat, als in den ersten 100 Tagen durch die schwarzen Bierzelte zu tingeln. Oder wie es in der Berliner Zeitung heißt, „Anfragen zu Vorträgen in Kreisverbänden etwa, also an der interessierten Parteibasis, würde sie nur zögerlich nachkommen“. Und es geht noch weiter: „Bei den Senatsvorbesprechungen, die Henkel gelegentlich mit deftigem Humor führt, fällt Teilnehmern schon mal auf, das sie die einzige ist, die nicht lacht.“ Na dann … absolut ungeeignet für das Amt. Offensichtlich. Aber das hätten wir so ja nicht thematisieren können. Stattdessen hätten wir als Opposition natürlich kritisieren müssen, von Obernitz „würde mit ihrer bestimmenden Art die Leute ‚vergraulen'“ (Zitat Pop).
Auch hätten wir wohl aus mir nicht bekannten Gründen die Gelegenheit verstreichen lassen müssen, den jungen Fraktionschef der SPD, Raed Saleh zu loben. Zwar hat dieser sich in seiner kurzen Amtszeit bereits erfolgreich gegen den Verkehrssenator Müller zugunsten der Offenlegung der S-Bahn-Verträge durchgesetzt und sich mit der Arbeitssenatorin Dilek Kolat angelegt, „die bei öffentlich geförderter Beschäftigung – bislang ÖBS – nicht den Mindestlohn zahlen will, den das Land bei öffentlichen Aufträgen vorschreibt„. Aber leider hätten wir wohl zum SPD-Fraktionsvorsitzenden, der die Fraktion als „linkes Korrektiv zum rot-schwarzen Senat“ (TAZ) verstehen will, folgendes sagen müssen: „Und einig sei sich die SPD intern in vielen Dingen auch nicht. Während SPD-Parteichef und Stadtentwicklungssenator Michael Müller „Hü“ sage, höre man vom Fraktionschef Raed Saleh „Hott“. Die SPD blockiere sich selbst.“ (wieder Zitat Pop nach Tagesspiegel) Als Neuer im Parlament lernt man also: Nur ja kein gutes Haar daran lassen, wenn eine Landtags-Fraktion mal ihren eigenen Senatoren widerspricht und nicht nur nach der Kandarre des Bürgermeisters springt. (Ich bin mir übrigens sicher, grüne Senatoren wären vor solcher Impertinenz gefeit.) Aber so eine Pressekonferenz wäre uns dann wohl doch etwas zu einseitig gewesen. Da ist es wohl wirklich ganz gut, dass wir sie lieber ganz haben sein lassen.
Ausgerechnet die Männerpartei bzw. Männerfraktion der Piraten wollte Frau von Obernitz dafür loben, „dass sie sich als parteilose Frau in einer parteidominierten Männerdomäne versucht“? Wie geil ist das denn?!! Wie schreibt Ihr? Ihr hättet so gern was „zu aller Belustigung Revue passieren lassen“. Das ist Euch gelungen. Und nun fangt endlich mal an, im Parlament Leitung zu zeigen. Ihr habt einen Wählerauftrag und seid es den Berliner Steuerzahlern schuldig.
Leitung=Leistung. 😉