Rassismus und Fremden­feind­lichkeit in Berlin – konse­quente Aufklärung, Prävention und Verfolgung statt Lippen­be­kennt­nissen und Wahlkampf­ge­plänkel

Meine parla­men­ta­rische Rede zur Aktuellen Stunde zu Rassismus und Fremden­feind­lichkeit in Berlin in der 29. Plenar­sitzung am 23. Februar 2013

Wir haben uns entschieden, in der heutigen Aktuellen Stunde über Rassismus und Fremden­feind­lichkeit in Berlin zu sprechen. Dafür gibt es eine Reihe guter Gründe. Einer davon ist:

Heute ist der Inter­na­tionale Tag gegen Rassismus. An diesem 1967 durch die UNO einge­führten Aktionstag beginnt die Woche der Solida­rität. Den ganzen Tag über gab und gibt es dezen­trale vielfältige Aktionen und Gedenk­mi­nuten überall in der Stadt. Mit Kollegen war ich heute morgen vor der Auslän­der­be­hörde.

Unter dem Begriff „Kehr aus“ riefen Migran­ten­ver­bände dazu auf, symbo­lisch die Ämter in Berlin von Diskri­mi­nierung zu reinigen. Tagtäglich erleben Migran­tinnen und Migranten insti­tu­tio­nelle Diskri­mi­nierung und Rassismus – auf der Auslän­der­be­hörde, in Kontakt mit der Polizei, bei den Jobcentern und Sozia­lämtern, bei den landes­ei­genen Wohnungs­bau­ge­sell­schaften usw. usw.

Der Senat behauptet, seine Behörden so refor­mieren zu wollen, dass sie für Menschen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund leichter zugänglich seien. Unter dem Schlagwort „in­ter­kul­tu­relle Öffnung“ werden diffuse Willens­be­kun­dungen abgegeben. Im Koali­ti­ons­vertrag steht:
„Wir werden eine Willkom­mens­kultur etablieren, die die den Zuwan­derern zeigt, dass sie in Berlin erwünscht und gewollt sind.“
Neben der Öffnung der Behörden wird die Stärkung der inter­kul­tu­rellen Kompetenz der Lehre­rinnen und Lehrer versprochen und die Einstellung von mehr Lehre­rinnen und Lehrern mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund.

Doch was ist die Realität? Von den kümmer­lichen 250.000 €, die im Haushalt zur Umsetzung des Parti­zi­pa­tions- und Integra­ti­ons­ge­setzes und zur inter­kul­tu­rellen Öffnung vorge­sehen sind, wurde 2012 gerade mal ein Zwanzigstel ausge­geben. Diese Initiative ist dringend notwendig. Dass dies nicht geschieht ist, wenn wir hier schon nicht Bösar­tigkeit unter­stellen, dann doch zumindest fahrlässig.

Dabei könnte gerade die Auslän­der­be­hörde ein Großrei­ne­machen vertragen. Sie wird von den meisten Zuwan­derern als äußerst unange­nehmer Ort wahrge­nommen: Unzumutbar lange Warte­zeiten, unfreund­liche Behandlung und fehlende Sprach­kennt­nisse sowie eine rigide Praxis bei Ermes­sens­ent­schei­dungen zuungunsten der Zuwan­derer kennzeichnen den Behör­den­alltag. Es braucht eine radikale Reform, die auf einen insti­tu­tio­nellen Neuanfang setzt. Wenn wir den Senat fragen, was er konkret unter­nimmt zur Öffnung der Auslän­der­be­hörde, dann geht er nur auf die kleine Gruppe derje­nigen ein, die eh auf dem Arbeits­markt am dingendsten gebraucht werden. Dabei sind das noch am ehesten die, die auch ganz gut alleine zurecht kommen. Der Großteil der Zuwan­derer wird schon mental links liegen gelassen. Wie soll denn daraus eine echte Kultur der Offenheit entstehen, eine echte Willkom­mens­kultur?

Dabei müssen wir uns gerade im Auswan­de­rungsland Deutschland auf ein neues europäi­sches Mitein­ander einstellen. Ab Januar 2014 sollen die Grenzen der Freizü­gigkeit auch für Bulgarien und Rumänien fallen. Das ist ein ganz normales, notwen­diges Element im Prozess der Europäi­schen Integration. So wie sie seit Jahrzehnten geplant ist und wie sie Deutschland im Rahmen der Wieder­ver­ei­ni­gungs­ver­träge zugesagt hat.
Doch auf der Bundes­ebene bremst der Hardliner und CDU-Innen­mi­nister Friedrich den europäi­schen Prozess aus und verlangt plötzlich aus dem Nichts heraus die Einhaltung von Kriterien, die eigentlich im Vorfeld geklärt wurden. Das begründet er dann mit einer Angst vor Zuwan­derung in die Sozial­systeme und verdreht dabei noch Tatsachen, wenn er unter­stellt, dass wer aus Rumänien oder Bulgarien komme, bekomme vom ersten Tag an Sozial­leis­tungen. Das einzige, was daran wahr ist, ist dass er xenophobe Stereotype bedient und fremden­feind­liche Ressen­ti­ments schürt.

Dabei nutzt er jede Gelegenheit, um gegen Roma zu hetzen, gegen Menschen, die den Verhält­nissen vor Ort den Rücken kehren und Grenzen über­queren, um anderswo ihr Glück zu suchen. Ein Vorgang, der seit Anbeginn der Geschichts­schreibung völlig normal ist, der sogar im Rahmen der europäi­schen Integration durchaus gewollt ist.

Das stößt hier in Berlin natürlich auch auf offene Ohren. Die Berliner CDU macht in den Bezirken Neukölln, Reini­ckendorf, Tempelhof-Schö­neberg Stimmung gegen Roma und gegen neue Sammel­un­ter­künfte für Flücht­linge vor Ort. Anstatt moderierend und sachlich auf die ansässige Bevöl­kerung  zuzugehen, betreibt sie rassis­tische Mobili­sierung und verhindert die Neuein­richtung von Sammel­un­ter­künften, worüber sich vor allem die Rechten freuen.

Auf einer Veran­staltung in Neukölln sitzt die CDU in trauter Glück­se­ligkeit zusammen mit der NPD im Raum und heizt die Stimmung gegen Asylsu­chende an. NPD und Kamerad­schaften haben wenig später die von der CDU gestartete Kampagne gegen Asylsu­chende über­nommen.

In Reini­ckendorf steht eine geplante Flücht­lings­un­ter­kunft vor dem Aus, weil der ehemalige MdA Ulrich Brinsa u.a. über die Facebook-Seite „Asylbe­wer­berheim verdrängt Alten­pfle­geheim“ den Wider­stand gegen die Flücht­linge organi­siert.

In Tempelhof hatte CDU-MdB Jan-Marco Luszak einer Kampagne gegen eine neue Flücht­lings­un­ter­kunft in einem ehema­ligen Senio­renheim durch­ge­führt, woraufhin sein Partei­kollege Sozial­se­nator Czaja von dem Vorhaben abgerückt ist.

In Kreuzberg organi­sierten Kurt Wansner, BVV-Kollegen und ein CDU-Bundes­tags­kan­didat auf einer Bürger­ver­sammlung die Stimmungs­mache gegen eine neue Flücht­lings­un­ter­kunft in einem ehema­ligen Senio­renheim.

Die Situation von gestie­genen Flücht­lings­zahlen darf nicht benutzt werden, um Ressen­ti­ments zu bedienen oder auf dem Rücken von Menschen Wahlkampf zu betreiben.

Und der Innen­se­nator positio­niert sich als harter Hund und besteht darauf, Abschie­bungen auch im tiefsten Winter durch­zu­führen. Allein im Januar dieses Jahres wurden 41 Menschen abgeschoben. Davon 14 Menschen in widrige Bedin­gungen auf dem Balkan. Ein Mensch in das menschen­rechts­feind­liche Regime im Iran und einer in das Bürger­kriegsland Syrien. Dabei hatte uns der Innen­senat noch im November versprochen, dass dies gar nicht möglich sei. Jetzt hat der Innen­se­nator dies wider­rufen und gesagt, es beziehe sich auf die Staats­an­ge­hö­rigkeit, nicht auf das Abschie­beland. Das hieße dann, die Antwort auf unsere Kleine Anfrage war falsch.

Letztlich zeigen auch aktuelle Studien, dass wir uns der Realität stellen müssen, dass Fremden­feind­lichkeit kein Randphä­nomen mehr ist, falls es das jemals war. Rassismus ist ein Problem, dass wir in der Mitte der Gesell­schaft verorten und auch dort bekämpfen müssen.
Dabei kommt den staat­lichen Organen eine besondere Rolle. Es gibt Phänomene, die dem öffent­lichen Rassismus in die Hände spielen. Dazu gehören alle staatlich verord­neten Vorgaben, die dazu beitragen, dass Behörden besonders auf Menschen mit dunkler Hautfarbe achten. Dazu gehört die Residenz­pflicht, die Flücht­linge in Deutschland an einen Ort fesselt und ihnen imagi­nierte Grenzen setzt, als würden wir noch in den Fürs­ten­staaten des 18. Jahrhun­derts leben. Eine Regelung, die so in Europa einmalig ist und die zu einer Separation und Diskri­mi­nierung von Menschen führt.
Dazu gehört aber auch die Regelung des Racial Profiling, welches dazu beiträgt, dass es Polizei­be­amten erlaubt, die Auswahl bei Perso­nen­kon­trollen an der Hautfarbe festz­u­machen. Diese Regelung verhindert, dass sich eine Kultur der Offenheit etabliert, die dringend notwendig ist.
Noch vor kurzem hat Polizei­prä­sident Kandt diese moderne Form von Diskri­mi­nierung verteidigt. Ich hoffe, dass Sie da jetzt in Ihrem Denkprozess weiter sind.

Über­haupt muss man hoffen, dass die Senatsres­sorts in Zukunft wesentlich stärker an einem Strang ziehen. Zum Teil hat man das Gefühl, die reden gar nicht mitein­ander. Zum Teil ist es sogar tatsächlich so. Liebe SPD, wenn ihr euch schon entscheidet, mit der CDU ins Bett zu steigen und dann auch noch die für Integration wichtigen Fleischtöpfe des Inneren und des Sozialen altge­dienten Burschen und alten Herren über­lasst, dann stellt doch wenigstens sicher, dass es einen regel­mäßigen Austausch und konstruktive Zusam­men­arbeit im Kampf gegen Rassismus und Fremden­feind­lichkeit gibt und sie diesen nicht aus Profi­lie­rungs­wün­schen torpe­dieren.

Berlin braucht echte Initia­tiven für Offenheit und Toleranz. Über­zeugten Einsatz gegen Rassismus und Fremden­feind­lichkeit. Keine Lippen­be­kennt­nisse und kein Wahlkampf­ge­plänkel!