Ohne gemein­samen Wirtschaftsraum keine Demokratie

Gestern erschien ein Interview im Online-Teil des Handels­blatt mit Matthias Schrade, Mitglied des Bundes­vor­stands der Piraten­partei. Matthias lässt sich dort als Finanz­ex­perten vorstellen und erklärt mögliche finanz­po­li­tische Perspek­tiven der Piraten­partei. An vielen Stellen gibt er an, die Partei habe dort noch keine Meinung, äußert dann aber seine eigene, persön­liche Meinung zum Thema. Dabei streift er Themen wie Derivate, Schulden bis hin zur Foderung nach einem möglichen Ausschluss von Ländern aus dem Euroraum zur Bildung eines „Kerneuropa“. Auf Twitter gab es für dieses Interview vor allem viel Lob. Ich persönlich halte es jedoch für eine Katastrophe und sehe mich daher gezwungen in Länge zu erläuter, wieso.

Sich nicht zum Handlanger der Banken machen

Matthias, der ja selbst auch in der Finanz­branche arbeitet, führt ein solides Interview und wirkt dabei kompetent. Auch die Äuße­rungen über Trans­parenz in der Finanz­po­litik und dass man „Prozesse besser erklären müsse“ liest man als Pirat natürlich gerne. Dabei läuft man dann aller­dings Gefahr, den eigent­lichen Klöpper des Interview zu über­lesen, nämlich die Äuße­rungen zu Griechenland. Neben einem Schul­den­schnitt fordert Matthias einen möglichen Ausschuss von Ländern aus der Euro-Zone, bis nur noch ein Rest- (Kern-)europa übrig­bleibt. Während man an ersterem nicht viel beanstanden kann, wird die zweite Position – und das nicht aus Zufall – vor allem von Banken und Inves­toren vertreten.

Es ist aber nicht die Aufgabe einer Partei, die Position der Banken zu vertreten, die schon genug Sprecher in der Gesell­schaft haben. Es ist auch nicht die Aufgabe einer Partei, noch dazu einer, die sich auch als Querdenker sieht, sich von den aktuell in den Medien propa­gierten Zwängen verein­nahmen zu lassen, noch bevor eine sinnvolle grund­sätz­liche Position formu­liert worden ist. Vielmehr ist es die Aufgabe einer Partei ZUERST eine politische Maxime zu entwi­ckeln, gerade im Hinblick auf die Außen- und Europa­po­litik. Gerade auch im Hinblick, dass wir das Primat der Politik über die Wirtschaft aufrecht erhalten wollen (müssen), ist es unsere Aufgabe, politi­schen Gestal­tungs­willen zu zeigen und zu formu­lieren, wohin die Reise mit einem (hoffentlich) solida­ri­schen Europa gehen soll. Und erst dann sollten wir schauen, dass wir die verschie­denen Perspek­tiven, zu denen auch aber nicht nur die Perspektive der Banken gehört, mitein­ander abwägen, unsere Position hinter­fragen und eventuell noch abändern. Matthias geht hier den dritten Schritt vor dem ersten. Und das ist extrem gefährlich für den inner­par­tei­lichen Meinungs­bil­dungs­prozess.

Keine Renaissance des Nation­lismus – für ein solida­ri­sches Europa

Zudem ist die geäußerte Position durchaus national bzw. sogar natio­na­lis­tisch angehaucht. Denn es spielt die einzelnen Staaten gegen­ein­ander aus und bevorzugt einige von ihnen gegen­über anderen. Die Unter­teilung in „wirtschaftlich gesund“ und „wirtschaftlich krank“ ist eine aussch­ließende Argumen­tation, die sich unbegrenzt anwenden lässt, bis das sogenannte Kerneuropa für uns doch wieder nur aus dem deutschen Natio­nal­staat besteht. Die selbe Unter­teilung in Nutznießer (Schma­rotzer) und Geber hat sowohl die Tsche­cho­slo­wakei gesprengt als auch die Konflikte in Jugoslawien und im heutigen Belgien mitbe­feuert. Während bestimmte natio­na­lis­tische – zum Beispiel eugenische – Thesen kaum salon­fähig sind, ist es anscheinend eher möglich, über das Argument des „Schutz des Wirtschafts­raums“ tradi­tio­nelle, natio­na­lis­tische Argumente einzu­bringen. Dabei war das Projekt Europa eine Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg. Es war ein politi­sches Projekt, um über wirtschaft­liche Verflech­tungen, natio­na­lis­tische Inter­essen zu über­winden und nachhaltig Frieden zu schaffen. Die Montanunion, welche die Aufgabe hatte die kriegs­wich­tigen Güter Kohle und Stahl gemeinsam zu kontrol­lieren, war nie ein rein wirtschaft­liches Projekt, sondern der Versuch über eine gemeinsame gesunde Wirtschaft eine europäische Demokratie zu schaffen. Das Projekt des gemein­samen Wirtschafts­raums aufzu­geben, bedeutet an dieser Stelle nichts weniger als das Projekt der gemein­samen Demokratie aufzu­geben. (Dazu empfehle ich auch den Text „Die Feigheit der europäi­schen Politiker“ von Robert Menasse.)

Übrigens: Warum muss jemand aus der Piraten­partei Positionen vertreten, die im rechten Flügel der CSU nicht salon­fähig sind? Denn genau diese Positon hat Peter Gauweiler auf dem CSU-Parteitag einge­nommen, dessen Kandi­datur dadurch mit krachendem Ergebnis abgeschmettert wurde. Auch die FDP hat mit dieser Position schon Erfah­rungen gemacht. Im Berliner Wahlkampf plaka­tierte sie in einer Last-Minute-Aktion noch „Griechenland raus aus dem Euro“, nur um dann mit 1,8% ihr schlech­testes Ergebnis einzu­fahren und ihre natio­na­lis­ti­schen Ansätze schnell wieder in die histo­rische Motten­kiste zu kloppen, aus der sie sie zuvor hervor­ge­kramt hatten. Auf der Gegen­ge­raden liegt die Piraten­partei momentan bei 10% in den bundes­weiten Umfragen…

Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal…bescheiden sein.

…und diese 10% wurden erreicht OBWOHL (oder vielleicht auch gerade weil) wir keine populis­ti­schen Ressen­ti­ments bedienen und unser Bundes­vor­sit­zender Sebastian Nerz in der Bundes­pres­se­kon­ferenz auf zahlreiche Themen keine Antwort geben konnte oder wollte. Gerade beim Thema Eurokrise hat er sich sehr vorbildlich verhalten. Sebastian gab an, eine eigene, wohldurch­dachte Meinung zu dem Thema zu haben und lehnte es aber – trotz mehrma­liger Nachfrage – ab, diese zu äußern, da sie natürlich in einer öffent­lichen Gesprächs­si­tution als Partei­meinung verstanden werden könnte. Dieses Beispiel sollte ruhig auch als Vorbild für die anderen Vorstands­mit­glieder dienen und darf als ungeschrie­bener Konsens verstanden werden. Denn wer nun nach Piraten­partei und Eurokrise (oder Derivate oder Finanz­po­litik) im Internet sucht, wird vor allem diesen Artikel finden. Und ich glaube nicht, dass sich diese Person dann denkt: „Ach so, dies ist nur eine Einzel­meinung, aber vielleicht werden die Piraten ja eine Positon komplett konträr zu ihrem Bundes­vor­stands­mit­glied formu­lieren.“ Denn: So bekannt sind unsere Struk­turen nicht. Und gerade die Themen, zu denen es noch keine offizielle Position gibt, sind besonders sensibel, da sowohl Medien als auch Bürger hier besonders intensiv nachfragen und suchen. Insofern fände ich es nicht gut, wenn hier ein Präzen­denzfall geschaffen würde für öffent­liche Äuße­rungen des Bundes­vor­stands zu komplett neuen Themen.

Wobei – ein richtiger Präze­denzfall ist dies nicht. Einmal gab es bereits ein Bundes­vor­stands­mit­glied, welches sich öffentlich unter Nennung seines Amtes und in kontro­verser Form zu unbesetzten Positionen äußerte: Das war 2009/2010 Stefan „Aaron“ Koenig. Damals gab es für seine Äuße­rungen zu Minaretten, Iran und Israel zurecht Shits­torms, die in Rügen und dem Versprechen mündeten, seinen Blog nicht mehr ohne Absprache für Äuße­rungen dieser Art zu nutzen. Und nun ist das alles ganz anders, weil wir in den Umfragen bei 10% statt 2% haben oder weil der Text sauberer geschrieben ist und die kontro­versen Thesen netter verpackt sind? Ich denke nicht.

Außerdem: Wir befinden uns zwei Monate vor einem inhalt­lichen Bunde­s­par­teitag, auf dem wir mögli­cher­weise die Weichen für genau die oben disku­tierten Punkte stellen wollen. Natürlich spielt es da eine Rolle, wenn sich ein Bundes­vor­stand öffentlich dazu äußert. Ich denke und appel­liere hier ganz besonders daran, dass jeder der sieben gewählten mit dieser neuen, größeren Meinungs­macht verant­wortlich umgeht. Verweise auf „Privat­meinung“ sind dazu meiner Anischt nicht ausrei­chend.
Alter­native Darstel­lungs­formen in Inter­views
Da ich ja nicht nur meckern will, mache ich gerne Gegen­vor­schläge. In Wirklichkeit ist die Spann­breite dessen, was unser Bundes­vor­stand so äußern sollte, ziemlich breit. Das Problem mit dem Interview ist ja: Dadurch dass Matthias im Text sehr kompetent rüber kommt, aber vor allem seine eigene Meinung äußert, liest er sich viel eher so wie eine Werbe­bro­schüre für den Finanz­ex­perten Matthias Schrade inklusive Nennung seiner Firma, als wie ein Interview mit einem Bundes­vor­stands­mitlied, welches wirklich etwas über die Piraten­partei verät. Zwar entsteht dadurch die Verknüpfung eines anspre­chenden Textes mit dem Namen Piraten­partei, trotzdem ist der Text aber bei genauerer Betrachtung weder für Leser noch für uns Piraten wirklich zielführend. .

Besser wäre an dieser Stelle gewesen,
1. ein gemein­sames Interview von Matthias und einem weiteren Piraten, der zum Beispiel Politik­wis­sen­schaftler mit Schwer­punkt Europa oder der Gewerk­schafts­mit­glied ist, und der eine sinnvolle Gegen­po­sition aufbauen kann,
2. eine Über­sicht über den Stand der Diskussion und die aktuellen Anträge in Liquid­Feedback/Antrags­fabrik inklusive Nennung, welche Anträge am meisten Zustimmung haben,
3. sich zumindest bei den AGs ein umfang­reiches Briefing geben zu lassen, so dass mehr Perspek­tiven einfließen von Piraten, die sich schon länger mit diesen Themen beschäf­tigen,

anstatt einfach nur die eine, persön­liche und von dem spezi­fi­schen Inter­essens- und Erfah­rungs­ho­rizont geprägte Meinung darzu­stellen.

Update: Nur, weil ich gerade darüber gestolpert bin. Dieser Artikel ist ziemlich maßgeblich für das, was bei den Medien ankommt: dts: Piraten-Vorstands­mit­glied fordert Kern-Europa ohne Griechenland Das Wort Privat­meinung taucht im Text nicht auf…

38 Kommentare zu “Ohne gemein­samen Wirtschaftsraum keine Demokratie

  1. zu 1) Ja, das hätte möglicherweise die Philosophie der PP besser dargestellt. Aber das Handelsblatt ist nicht unser Erfüllungsgehilfe, oder?

    zu 2) Initiativen, die sich konkret mit der im Handelsblatt thematisierten Problematik beschäftigen, habe ich gesucht und nicht gefunden.

    Für Inhaltliches zur Krise im Euroraum ist dieses Blog wahrscheinlich nicht so geeignet.

    Grundsätzlich: mir ist ein »Kungler« der mal konkret wird, vielleicht an dem ein oder anderen Punkt irrt, dies alles aber explizit als persönliche Einschätzung kennzeichnet, tausendmal lieber als ein ewiges und seidenweiches: »Die Partei hat dazu noch keine Position erarbeitet.« Das wirkt auf die Dauer hilflos und ermüdend.

    Ciao

    Achim Müller

  2. Wieso wird man immer gleich als nationalistischer Populist beschimpft wenn man wieder eine stabile Währung haben möchte ?
    Es wird hier unterstellt dass die Währung mit der Stabilität der politischen Eurozone zu tun hätte. Da hätte ich mal gern den genauen Zusammenhang gewusst.
    Für Griechenland wäre es wirtschaftlich besser wenn sie wieder ihre eigene Währung hätten und nicht mehr an den wirtschaftlichen Leistungsdruck der Währungsunion gekoppelt wären.
    Für die „Vereinigten Staaten von Europa“ sind die Gesellschaften momentan noch viel zu unterschiedlich. Aber das ist sicherlich mittelfristig ein vernünftiges Ziel.

    • Der genaue Zusammenhang ist, dass alle in einem Boot sitzen und deswegen allen daran gelegen ist, dass alle gesund und munter sind und dass niemand aufspringt und zu wippen beginnt.

      Oder, um es mal ganz bescheuert zu erklären und dabei ein anderes Thema anzuschneiden. Es ist am einfachsten, sich vor Flüchtlingen aus Afrika zu schützen (und natürlich müssen wir uns nicht schützen und es tut mir in der Seele weh, dass sie an unseren Grenzen nicht mit offenen Armen empfangen werden), indem man die Menschen in Afrika zum einen nicht mit Waffen beliefert, vor denen sie dann fliehen müssen und ihnen nicht das Essen aus dem Munde stielt. Indem man ihnen und ihren Kindern eine Ausbildung gibt, die ihnen die Möglichkeiten gibt, im Reichtum ihrer Länder zu florieren.

  3. Du wertest die Idee der Aufteilung der Eurozone mahnend als Populismus, als Nationalismus, machst einen Exkurs über Eugenik, suggerierst eine Neuordnung der Währung bedeute eine Aufkündigung des Wirtschaftsraums (schlicht falsch) oder gar das Ende der Demokratie in Europa schlechthin. Drohend wird auch der 2. Weltkrieg erwähnt, als drohe sofortiges neues Schlachten sobald EU-Gurkenverordnungen wegfielen.

    Ich kann mir nicht helfen, ich detektiere hier eine gehörige Portion von genau dem Populismus den du anprangerst.

    • Naja, es _ist_ Nationalismus.

      Nur mal so am Rande: Was ist, wenn irgendwann das Öl alle ist und alle anderen Staaten ihre alternativen Energiequellen (Uran, Wasserkraft) selber benötigen? Dann sind wir _gefickt_, weil es hier einfach mal gar nichts gibt, was auch nur annähernd unseren Energiebedarf deckt. Da ist es natürlich gut, wenn man all den Ländern, die einen zum Rest der Welt verbinden, in der Vergangenheit gesagt hat, dass sie einem die Füße küssen können.

      • @Malte
        Nach deiner Lesart müssen ja Dänemark, Schweden, UK höchst nationalistische Staaten sein die in ihrem Isolationismus dahinvegetieren. Von den autistischen Diktaturen Schweiz und Norwegen wollen wir erst gar nicht anfangen, näch?:)

        • Ich glaube du verstehst den Begriff Nationalismus falsch. Wir reden hier nicht von Nazis. Nationalismus hat eine eigene spannende Geschichte und ist ein legitimies Ordnungsprinzip. Nur widerspricht es eben dem der EU. Und ja, ich bin gegen Nationalismus, finde aber die Beißreflexe gegen den Begriff übertrieben. Stattdessen fände ich es schön, wenn man da auch einfach mal so benennen könnte.

          • Och, Nationalismus und Nationalsozialismus kriege ich noch so gerade eben auseinandergehalten, auch habe ich doch gar nichts über Nazis gesagt?
            Anders als du finde ich Beißreflexe gegenüber Nationalismus durchaus angebracht. Was ich Fabio vorwerfe ist, dass er diese Beißreflexe triggert um einen Standpunkt zu diskreditieren. Das empfinde ich als Populismus.

            Grundproblem ist nämlich: Die jetzige Situation, in der die EU (allen voran Deutschland) Griechenland mittels Finanzspritzen zu drakonischen Sparmaßnahmen zwingt erinnert ebenfalls an nationalistische Fremdbestimmung, also eine art Kolonialismus.

  4. Die Bailouts müssen als Druckmittel für Tobin-Tax genutzt werden, sonst sind sie verschenkt. Aber was machen wir? Alles bedingungslos durchwinken! Für mich ist das Dummheit, Korruptheit oder Erpressbarkeit, also alternativlos indiskutabel. Erst die Banken zerschlagen, dann die Tobin-Tax einführen und anschliessen über Rettungsschirme reden, alles andere ist Hochverat.

  5. Was mir als Pirat in der Eurokrisendiskussion immer wieder fehlt, ist die Forderung nach Transparenz. Wenn schon 211 G€ (oder mehr) von „öffentlichen“ Steuerzahlergeldern eingesetzt werden sollen, dann verlange ich öffentliche Dokumentation der Problemlage.

    Schuldenregister.
    Jeder Anspruch etwa an Griechenland ist zur Online-Veröffentlichung zu melden, etwa mit der Datenstruktur:

    Schuldner;Gläubiger;Bezeichnung;Nennwert;Zinssatz;Fälligkeit

    Alle dort bis zu einem Redaktionsschluss nicht gemeldeten Schulden verfallen. Damit ist das Ausmaß der Lage verbindlich bis ins Detail nachprüfbar. Konkrete Lösungsstrategien können auf Grundlage dieser Daten abgeleitet werden.

  6. Diese Position ist populistisch – siehe CSU Dobrindt,Henkel und wer sich dessen noch als „Vernunftargument“ bemächtigt hat.Das „Volk“ jubelt und sieht sich sich in seinen Ressentiments bestätigt,dazu ist kein ökonomisches Verständnis nötig.
    Und was ist eine „stabile“ Währung? Auch nur wenig mehr als eine Vorstellung,die viel zu statisch ist.

    N1ck : „Vereinigte Staaten von Europa“ (auch Gegenstand von durch meist RechtsPopulismus geschürten Ängsten vor EuroFaschismus oder gar Krieg bei Scheitern des Euros etc )sollen bitte unterschiedliche Gesellschaften bleiben.
    Ich bevorzuge ein Europa der Diversität – das ist doch _die_ Qualität und kein Hindernis!Ich bin entschieden gegen jeden Rückfall in die Kleinstaaterei in Europa.Und es ist eine große Vorsicht und Umsicht gefragt,mit wem man sich solidarisiert.Was ist die Idee von Europa bei den Piraten?

  7. Wow, der Text klingt recht freundlich, wirft dem Kungler aber mal eben Populismus und Nationalismus vor und schweift noch ein bischen weiter aus (Rechts der CSU!? eieiei)

    Mir wird hier nicht genügend zwischen EU und Euro differenziert. Die EU ist ein Projekt der europäischen Einheit und des Friedens und keiner stellt das in Frage. Der Euro ist nicht einfach eine Frage des Wünsch-dir-was. Ein gemeinsamer Währungsraum bekommt nunmal Probleme, wenn die darin enthaltenen Länder wirtschaftlich sehr ungleich sind. Das bemängelt sogar Paul Krugman, der nun wirklich nicht als Rechtsaußen bekannt ist: http://krugman.blogs.nytimes.com/2010/01/11/europes-ok-the-euro-isnt/

    Volkswirtschaftliche Entscheidungen wie eine Währungsunion haben eben folgen und die können den Nutzen, den das ganze haben soll, auch mal deutlich übersteigen. Mit Ich-will-aber tut man sich da nicht unbedingt einen Gefallen.

    Es gibt bereits EU Länder, die den Euro nicht haben. Einige sogar. Das stellt das EU-Projekt überhaupt nicht in Frage. Das ist so, weil es eine schlechte Idee ist Länder unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation in den Euro aufzunehmen (und manche Länder wollen auch gar nicht). Für die Frage wann das eine gute Idee ist, gibt es Kriterien. Die gibt es nicht aus Jux und Dollerei. Speziell Griechenland hat diese aber nie erfüllt. Es ist müßig darüber zu reden, ob man die jetzt für ihr In-den-Euro-reinbescheißen irgendwie strafen soll, aber unabhängig davon erfüllen sie die Kriterien halt immernoch nicht. Das kann nicht für immer so bleiben. Entweder Griechenland oder Euro muss sich da in irgendeiner Form ändern, auch wenn man das nicht wahrhaben will.

    • Du hast aber den entscheidenden Satz im Krugman-Artikel übersehen, der Kunglers Ökonomie diametral entgegensteht:

      On balance, I still consider it the wrong move, but in a way that’s irrelevant: it happened, it’s not reversible, so Europe now has to find a way to make it work.

      Was würde denn mit den Ländern passieren, die aus dem Euro ausgeschlossen werden? Ihre neuen/alten Währungen würden sofort ins Bodenlose stürzen, und die Importe dieser Länder würden ebenfalls massiv zurückgehen. Was würde das mit so einer extrem exportfixierten Volkswirtschaft wie der deutschen anrichten? Allein auf die Griechenland-Exporte könnten wir bestimmt noch verzichten, aber wenn durch den Dominoeffekt Italien und Spanien fallen, wäre das Ende der Fahnenstange irgendwann erreicht und wir können uns auf eine langfristige, massive Depression einstellen, die die kleine Delle der letzten Finanzkrise bei weitem in den Schatten stellt. Auf die USA können wir uns auch nicht mehr verlassen, seit die Tea-Party den Kongress dominiert. Aber die waren es, die mit ihrer massiven Staatsverschuldung auch unseren kleinen Wirtschaftsaufschwung Mitte des letzten Jahrzehnts gezogen haben, den sich hierzulande die wechselnden Regierungen fälschlicherweise auf ihre Fahnen geschrieben haben.

      Das wissen sogar Leute wie Merkel, Schäuble und Co., und genau deswegen ist für sie Griechenland – genau wie die Banken – ebenfalls too big to fail, und nicht weil „die Griechen“ so sympathisch sind und der Ouzo so lecker, oder weil der Kohl um sein Lebenswerk fürchtet.

      Woran sich die Bundestagsparteien bloß nicht ran trauen, ist neben einer teuren kurzfristigen Rettung die strukturellen Probleme in der EU anzugehen.

      Da wären zum einen die finanzmarktfreundlichen Gesetze, die unrealistische Renditen von über 20% überhaupt zulassen, statt solche real gar nicht zu erwirtschaftenden Gewinne abzuschöpfen, um damit zumindest die Schäden dieser Geschäftspraktiken ausgleichen zu können.

      Und zum anderen sollte Deutschland endlich mal seine Niedriglohnpolitik aufgeben. Was nützt den Leuten hier, dass wir „Exportweltmeister“ sind, wenn unsere Gehälter nicht einmal mit der Produktivität steigen? Unsere hoch-produktive Volkswirtschaft saugt mit ihrem stetig sinkenden Reallohnniveau unsere europäischen Partner aus, und ist maßgeblich mit für die Krise verantwortlich. Um es mal platt zu sagen: Wenn die Deutschen sich wieder mehr Griechenlandurlaube leisten könnten, hätten die Griechen auch mehr Einnahmen um ihre Schulden zu bezahlen. (Dass es in Griechenland selbstverständlich auch eine Menge andere, hausgemachte Ursachen für den drohenden Staatsbankrott gibt, bleibt unbenommen.) Und wenn unsere Löhne endlich wieder steigen, werden andere Länder auch wieder wettbewerbsfähiger. Dann sind wir vielleicht in zwei, drei Jahren nicht mehr Exportweltmeister, aber für den Titel kann sich eh keiner was kaufen.

      Deutschland ist eines der wenigen Länder, die weltweit noch in der Lage wären die Konjunkturlokomotive zu spielen. Aber dafür brauchen wir eine Wirtschaftspolitik, die den Binnenmarkt stärkt und dazu führt, dass deutsche Gewinne für Importe genutzt werden, statt damit windige Finanzprodukte zu kaufen, die dann platzen und vom Steuerzahler ausbezahlt werden müssen.

      Dass jedes Land auf der Welt sparen könnte, ohne dass es zu einer konjunkturellen Abwärtsspirale globalen Ausmaßes käme, ist jedenfalls absurd zu glauben.

      • Ich hab schon den ganzen Krugman-Artikel gelesen, aber es will ja auch niemand den Euro abschaffen. Ich denke eine Verkleinerung der Euro-Zone wäre schon möglich.

        Und dass die Währung der Griechen an Wert verlieren würde, ist ja gerade der Sinn der Sache, bzw. dass das im Moment nicht passieren kann, ist ja genau das Problem.

        Ländern, in denen die Wirtschaft schwächelt, wird durch eine absinkende Währung eher geholfen wieder auf die Beine zu kommen. Investitionen in das Land werden dadurch attraktiver und es wird auch attraktiver Waren aus dem Land zu importieren. Dieser Effekt bleibt für die Griechen gerade weil sie im Euro sind aus. In Island z.B. ist vor wenigen Jahren genau das passiert und der Währungsabsturz hat denen u.A. einen Haufen Tourismus beschert. Inzwischen sind die wieder auf dem Dampfer.

        Du sprichst mit dem Export schon das richtige an. Unserem Export nach Griechenland würde das eher schaden. Also schicken wir einfach weiter Kohle da runter, damit die damit unser Zeug kaufen können. Ich halte das ja für kein langfrisitig tragbares Modell…

        Griechenland hat 2010 ~0,6% unseres Exports ausgemacht. Ich denke wir werden es verkraften, wenn da 0,5% draus werden…

        • Ich hab ja geschrieben, dass Griechenland alleine uns wohl nichts ausmachen würde. Aber es *wird* einen Domino-Effekt geben. Die, die jetzt auf eine griechische Staatspleite wetten, werden dann einfach das nächste Land „abschießen“. Die Kandidaten stehen ja schon fest: Portugal, Irland, Italien, Spanien, Belgien…

          Und eine massiv abgewertete Drachme wird dazu führen, dass Griechenland seine euro-notierten Schulden wirklich niemals auch nur annähernd zurückzahlen wird können, auch nicht durch die verbesserte Exportfähigkeit. Diese riesigen Kreditausfälle werden den nächsten Banken-Bailout erfordern, denn unsere Banken sind immer noch „too big to fail“, weil sich ja nichts geändert hat, z.B. in Hinblick auf eine Trennung von Investment- und Geschäftsbanken. Dass genau dieselben Banken auf der anderen Seite ebenso massiv durch CDS u.ä. Spekulationsprodukte gewinnen, wird daran nichts ändern. Die Gewinne werden wieder fein privatisiert werden, und die Verluste sozialisiert.

          Was aber vor allem politisch daraus folgt, ist – nichts. Wenn an dieser Krise die faulen Griechen Schuld sind, kann man sich nach einem Griechenrausschmiss aus dem Euro entspannt zurücklehnen, und alles bleibt so wie es ist. Die deutschen Steuerzahler werden mal wieder bluten müssen, aber Schuld sind ja weder unsere Politiker, noch der deregulierte Finanzmarkt, sondern die bösen Griechen. Und in der Folge die Iren, und die Portugiesen, die Italiener, usw., und wir armen Deutschen müssen für die alle mit bezahlen.

          Diese Art, unsere deutsche „Volksgemeinschaft“ als Opfer der griechischen, irischen, portugiesischen Schmarotzer darzustellen, ist das, was von Fabio und anderen vollkommen zu Recht als populistisch und nationalistisch tituliert wird.

          Dass hierzulande auch Profiteure dieser Krise sitzen, die über Umwege massiv deutsche Steuergelder in ihre eigenen Taschen umverteilen, wird unter den Tisch gekehrt und perpetuiert.

          Ziel einer vernünftigen Wirtschaftspolitik kann daher nur sein, über eine eu-interne Art Länderfinanzausgleich die Griechen, Iren, etc. kurz- und mittelfristig am Leben zu erhalten, und mittel- bis langfristig die Profiteure für die Kosten aufkommen zu lassen.

          Ich meine, dass die Banken jetzt auf Staatspleiten spekulieren, weil die EU-Länder durch die Banken-Bailouts überschuldet sind, kann man doch nur als schlechten Witz auffassen. Wenn wir, also die Gemeinschaft der EU-Bürger, mit ihren politischen Vertretungen auf nationaler und supranationaler Ebene, uns das weiterhin gefallen lassen, akzeptieren wir endgültig das Primat der Wirtschaft.

          Dass man unter diesen Bedingungen sowas wie ReSET vollkommen vergessen könnte, ist offensichtlich, ebenso wie dass Kungler das anscheinend ganz Recht wäre und er seine Position ausnutzt, uns mit Unterstützung des Handelsblatts in Richtung Marktradikalismus zu trimmen. Die Bezeichnung „FDP-U-Boot“ ist daher nach diesem Interview vollkommen gerechtfertigt. Das finde ich, ehrlich gesagt, zum Kotzen. Wir haben bestimmt keinen Vorstand gewählt um Themen wie den Staatstrojaner zu verkacken und stattdessen anti-soziale Wirtschaftspolitik top-down in die Partei zu drücken.

          • „Diese Art, unsere deutsche “Volksgemeinschaft” als Opfer der griechischen, irischen, portugiesischen Schmarotzer darzustellen, ist das, was von Fabio und anderen vollkommen zu Recht als populistisch und nationalistisch tituliert wird.“

            Das ist allerdings ein Strohmann-Argument in Reinform. Weder der Kungler, noch ich, haben das auch nur annähernd getan.

          • Na, im Handelsblatt-Interview, Seite 4.

            Als erstes liegt die Krise allein an den „Grundproblemen der griechischen Wirtschaft“, wofür es sich nicht lohnt, „noch mehr Geld zu verpulvern“. Sowieso haben *die* *uns* alle verarscht, indem die Kriterien aufgeweicht wurden und Griechenland sogar geschummelt hat. In einem Kerneuropa mit anständigen Staaten wie Deutschland, Österreich, Frankreich, Benelux könnte sowas nie nicht passieren, weil die nicht „auseinanderdriften“. (Das Driften ist wohlgemerkt eine Art göttliche Fügung, da kann man nichts gegen machen.) Andere Länder, die ihre Wirtschaft in Ordnung gebracht haben, (so wie wir mit Hartz4, einem ausufernden Niedriglohnsektor, etc.,) dürften dann natürlich u.U. wieder mitmachen.

            Auf der nächsten Seite geht’s dann weiter. Weil die Landesbanken denselben Mist mitgemacht haben, wie die privaten, ist der Staat generell zu dämlich für sowas, (aber bei den privaten Banken war das wohl nur Pech, oder?) Investment- und Geschäftsbanken trennen bringt sowieso nichts, sagt Kungler, usw.

            Das ist die reine marktradikale Agenda, wie die FDP sie am laufenden Band rausgehauen hat, *bevor* die Finanzkrise das alles als falsch entlarvt hat. Gemischt mit ein bisschen CSU, die FREIHEIT und Tea-Party.

            Was das wert ist, hat man in Berlin gesehen: 1,8%. Vollkommen zu Recht übrigens.

            Der soll einfach die Schnauze halten.

          • Wow, ich glaube über das Thema sollten wir vielleicht nochmal separat irgendwo ausführlich diskutieren. ^^

            Und ich glaube du tust dem Kungler mit deiner Interpretation massiv unrecht. :/

          • Ich gestehe Kungler zu, dass er u.U. das nicht so gemeint hat, wie ich das interpretiert habe. Das kann sein, dafür kenne ich ihn nicht gut genug. Aber das ist das, was hinter der Ideologie steht, die er sich da zu eigen macht. Er hat dieses Ideengebäude ja nicht selber erträumt, sondern das kommt irgendwoher. Wenn man sich selber für einen Börsenkenner hält, und seine Meinungen zu Volkswirtschaft ausschließlich von BWLern und Finanzlobbyisten bezieht, kommt vielleicht am Ende sowas bei raus. Aber es ist definitiv nicht seine Aufgabe, seine privaten abstrusen Meinungen als Vertreter der Piraten in die Öffentlichkeit zu tragen.

            Für mich nach „Aaron“ König auf jeden Fall die zweitgrößte Entgleisung eines Piratenvorstandes.

            Separat diskutieren tu ich auch gerne. Wahl des Mediums per Twitter-DM? 😉

  8. Das letzte was ein Exportland wie wir brauchen, ist eine harte Währung, und Abschottung. Und wer soll unsere U-Boote oder Pqnzer kaufen, wenn wir keine Kredite mehr dafür vergeben? Sorry, mich nervt einfach dieses Betriebswirtschaftsdenken. Für unsere Exportüberschüsse müssen halt andere Bluten. Dann darüber zu heulen, dass andere diesen Überschuss dann mit Krediten finanzieren, ist höchstgradig heuchlerisch. (Da muss man nicht Griechenland als Beispiel nehmen, USA vs. China ist da genauso gut)
    Wenn man keine Wechselkursschwankungen mehr haben will, und eine Wirtschaftsunion, dann muss man das Risiko eben auch mit tragen. Diese Rosinenpickerei muss aufhören. Wer sich verspekuliert muss auf die Fresse fliegen, wer eine Währungsunion eingeht, um sich wirtschaftliche Vorteile zu erkaufen, muss eben mit dem Risiko leben, dass ein Staat auch mal Pleite gehen kann. Staaten kann man nicht wie Firmenteile einfach mal abstoßen, und die Leute auf die Straße schicken, und dann beim IWF oder wo auch immer sich das ALG2 abholen lassen.
    Und ja, dann müssen die Gläubiger halt zusammenkrachen, dann gehen Renten/sonstige was weiss ich über die Wupper. Aber mal ehrlich, wir haben unsere Kohle, die wir wo auch immer investiert haben, auch durch das Wachstum erst generiert, welches uns die auf Pump Kaufenden Staaten beschert haben.

  9. Lieber Fabio,
    Das ist natürlich ein schönes Bild was du da von Europa hast, aber ganz so einfach ist das leider nicht. Das Problem an der europäischen Währungsunion ist, dass ohne eine gemeinsame Wirtschaftspolitik nicht funktionieren kann! Eine Währung ist wie ein Maßanzug, der auf die Wirtschaft eines Landes zugeschnitten ist. Wenn sich nun mehrere diesen Maßanzug teilen, aber unterschiedliche Maße haben, dann wird dieser früher oder später platzen! D.h. bleibt die Euro-Zone so wie sie zur Zeit ist werden alle Mitgliedsstaaten mit in den Abgrund gerissen! Man hat 3 Optionen:
    1. Man bildet wie der BuVo schon gesagt hat einen Kerneuro, in dem die Staaten ihren Haushalt in dem Griff haben (als Übergangslösung)
    2. Man geht wieder zurück zu nationalen Währungen
    3. Man erschafft eine Fiskalunion. Jedes Land gibt Souveränität an die EU hab und man hat für die Eurozone eine gemeinsame Wirtschaftspolitik.

    • Haben wir nicht vor kurzem erst gelernt, dass man Männerhemden zur Not auch als Abendkleid tragen kann?

  10. Ob Griechenland im Euro bleiben soll oder nicht, dass ist ausschließlich von den Griechen zu entscheiden. Klar kann man das gut oder schlecht finden, aber letztlich betrifft es uns nicht sondern die Griechen also sollen sie es auch selber entscheiden. Mir fällt daher kein Grund ein warum eine deutsche Partei dazu überhaupt eine Position haben sollte.

  11. Als inzwischen jahrzehntelanger Leser von Handelsblatt und aktiv in wirtschaftlichen Betätigungen mit durchaus internationaler Prägung weiß ich, dass diese Gazette als weltweites Fieberthermometer der deutschen Wirtschaft und wirtschaftspolitischen Ausrichtung innerhalb Deutschlands gesehen wird.
    Unter diesem Gesichtspunkt sehe ich das Interview durchaus auch kritisch, begrüße aber die verbindenden Elemente, dass Matthias versuchen möchte, für seine Auffassung innerhalb der Partei eine Basis zu finden. Die Kontroverse ist es, die im gemeinsamen Diskurs zu einem für die Menschen letztlich positiv wirkenden Ergebnis auch aus Sicht der innerparteilichen Ausrichtung führen soll. Und das ist gut so, insofern es einen Ansatz (überhaupt einen) bietet; wenn auch einen durchaus diskutablen. Auch das sehe ich aber als Gegenstand von Tranparenz. Mehr jedenfalls, als würden Politiker allüberall in unserem Land zigfach eine beinahe tot wirkende, vorgefasste Partei-Meinung wiedergeben, die den Eindruck vermittelt, dass irgendwo ein innerparteilicher Meinungs-Guru sitze, dessen Credo nach Schwur auf die Bibel oder mit anderem oder ohne religiöses Bekenntnis in die Welt hinaus posaunen, ohne dass den jeweils Äußernden zugestanden werden würde, eine eigene – ggf. abweichende Meinung – überhaupt bilden, geschweige denn vertreten zu können.
    Deshalb sehe ich die Darstellung von Matthias immerhin noch als besseren Standpunkt für den Augenblick an, als – vgl. die unwissende und hilfesuchende Rumeierei der Alleswisser der etablierten Parteien – keine Meinung zu vertreten oder den Eindruck zu vermitteln, überhaupt keine Ahnung zu haben; und das dann auch noch öffentlich.

    Eins sehe ich aber mit großer Sorge – und da teile ich den Ansatz deiner Kritik – : wir, die Piraten sollten uns angesichts der erklärten Un-Perfektion und als Partei, die eben keine Lösung aller Weltprobleme anzubieten hat, in der von dir, Fabio, erwähnten Bescheidenheit üben und jenseits von negativ verstandenem Populismus und falsch zu verstehendem Nationalismus sowie vor allem ohne Überheblichkeit, welche Arroganz-Affinität zu produzieren geeignet ist, die Kardinalprobleme in Deutschland angreifen.

    Als da wären… vgl. Parteiprogramm (vor allem: Schutz der Meinungsfreiheit, Verhinderung staatlichen Dirigismus bzgl. unserer persönlichen Daten sowie informationeller Selbstbestimmung und freier, ungehinderter Zugang zur Information u.v.a.m.). Dazu gehört natürlich auch die Wirtschaftpolitik, ohne welche das Gemeinwesen, welches unseren Vorstellungen entspricht, im Zentrum weltwirtschaftlicher Verflechtungen einfach nicht funktionieren kann. Deshalb ist selbstverständlich eine auch Europa- oder weltwirtschaftliche Ausrichtung und Entwicklung des piratigen Meinungsbildes unerlässlich; sogar kurzfrisitg. Das wird aber die Schwarmintelligenz zu leisten sein und ist bereits im Gange.
    Dabei finde ich es sogar äußerst begrüßenswert, wenn diese innerparteiliche Diskussion vielleicht durch auch die eine oder andere unbedachte öffentliche Äußerung regelrecht befruchtet oder provoziert wird.
    Ein Wort noch: Ich finde „Populismus“ gar nicht schlecht. Populismus meint übersetzt „Nähe zum Volk“. Und das ist etwas, das sich die Piratenpartei im Prinzip als liberale Bürgerrechtspartei auf die Fahne geschrieben hat. Ich bin dafür und dafür bin ich Pirat.
    LG DSLawFox

  12. Lieber Fabio,

    „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal bescheiden sein.“ trifft hier wohl nur auf dich zu. Beschäftige dich mit unserem Finanzsystem und dann darfst du auch mitreden.

    Viele Grüße,
    Dieter

    • Lieber Dieter,
      wenn du meinen Blogbeitrag ganz gelesen hättest, hättest du auch verstanden, dass und warum ich mich dafür einsetze, dass das Primat der Europapolitik gegenüber der Finanzpolitik gelten soll. Insofern liegt es mir fern, mich in nächster Zeit in BWL oder ähnlicher Esoterik zu vertiefen. Ich hege auch durchaus die Vermutung, dass ich den Einflüsterungen der Finanzmärkte in Richtung Politik dadurch empfänglicher würde – so wie man nach einem Emeter-Test merkt, dass man ganz furchtbar depressiv ist. Die Frage ist, ob ich das will. 🙂
      Nicht ganz ernst gemeint,
      Fabio

  13. Hiya,
    als Julia Schramm für die Spackeria in diversen TV-Sendungen auftrat und als Mitglied der Piratenpartei vorgestellt wurde, habe ich mich tierisch aufgeregt.
    Ein paar Tage älter und ein bisschen was dazugelernt sage ich, kein Problem, das, was von diesem Interview übrig bleiben wird, ist folgendes: Pirat und Börsenmakler in Sakko und Krawatte erklärt, dass Banker ihre eigene Bilanz nicht erklären können. Stimmt, super.
    Ich mag den Kungler, cooles Interview.
    Also cool bleiben.
    LG, Nick H.

    • Hi Nick,
      Julia hatte kein Amt inne. Wenn du schon vergleichen willst, dann vergleiche mit einem anderen Buvo, keine Ahnung mit wem, zur Not halt mit Aaron Koenig oder so. Das Feedback auf das Interview – zumindest auf Twitter – war zu sehr großen Teilen „Toll, ein Buvo hat sich in einem größeren Medium geäußert und wirkte dabei kompetent.“ Ob die eigentlichen Inhalte den Piraten dabei eher egal waren und da nichts hängen bleibt, oder die Piraten das inhaltlich so kaufen, weil es halt kompetent wirkte und man Finanzfragen wohl besser von kompetent wirkenden Finanzleuten beantworten lassen sollte und da vielleicht in nächster Zukunft noch mehr in Richtung Kerneuropa kommt, macht einen großen Unterschied, vermag ich aber nicht zu sagen. Im Zweifel bin ich aus den im Text genannten Gründen eher skeptisch. Bei anderen Themen kennst du mich ja eher als – wie sagen die jungen Leute heute? – coolen Typen.
      LG, Fabio

  14. Fabio, wie war das wenn man keine Ahnung hat…

    Warum äußerst du dich zu dem Thema Euro überhaupt, wenn du selbst doch offensichtlich keine Ahnung hast.

    Außerdem heißt es dort: „Das Mitglied im Bundesvorstand der Piraten-Partei, Matthias Schrade (..)“

    Klar ist es doch, dass er hier seine eigene Meinung wiedergegeben hat. Deutlicher kann man dies NICHT schreiben. Das die Medien natürlich auch wahrheitsgemäß (!) schreiben, dass er im Vorstand der Piraten sitzt, gehört sich auch so. Jede Äußerung einen Piratenvorstandes fällt natürlich auch auf die Piraten zurück.

    Mir ist das als Wähler tausendmal lieber, dass ich weiß woran ich bei den Piraten bin. So eine Blackbox wie den Fabio, will ich lieber nicht wählen. Die eigene Meinung vor der Wahl dem Wähler nicht zu verraten hat nämlich mit TRANSPARENZ NICHTS ZU TUN!

    Ich empfehle dir jetzt einfach mal künftig nicht mehr das Wort: „Transparenz“ in den Mund zu nehmen. Das ist nämlich dann Wählertäuschung!

    • Hi Alexander,
      du sprichtst ja das Interesse an Madats- und Amtsträgern an. Ich denke, wir sind uns da einig, dass das durchaus seine Berechtigung hat. Aber ich denke auch, man muss da unterscheiden. Wenn man sich als Kandidat für eine Wahl aufstellen lässt und parlamentarische Verantwortung anstrebt, sollte man soviel von seinen politischen Ansichten offenlegen. Ich habe selbst vor der Berlinwahl die zweitmeisten Fragen auf Abgeordnetenwatch beantwortet und finde das eine sehr wichtige Institution. Aber der Kungler kandidiet nicht um die Gunst der Bürger. Er wird von Piraten gewählt, damit er interne Aufgaben wahrnimmt und unsere bestehenden (!) Themen nach außen vertritt. Und vor der nächsten Vorstandswahl kann er auch gerne parteiinterne Medien wie die Flaschenpost oder die Kandidatenvorstellung nutzen, um seine gesamte Spannbreite an Themen darzustellen. Aber bitte nicht das Handelsblatt bei derart sensiblen Themen, dann auch noch derart wichtige Fragen, wie ich sie im Blog aufgeworfen habe, außer Acht lassen und das Ganze auch noch kurz vor dem BPT, wo wir darüber unvoreingenommen abstimmen wollen. Das war mein Statement. Jemandem zu sagen, dass eine bestimmte Aussage in einem bestimmten Medium zu einem bestimmten Zeitpunkt, welche er auch nur treffen darf weil er in ein Amt gewählt wurde, was aber auch eine gewisse Verantwortung mit sich bringt, hat doch nichts mit Einschränkung der Meinungsfreiheit oder mangelnder Transparenz zu tun…
      Gruß,
      Fabio

  15. „Das Projekt des gemeinsamen Wirtschaftsraums aufzugeben, bedeutet an dieser Stelle nichts weniger als das Projekt der gemeinsamen Demokratie aufzugeben.“

    So wie ich den Diskurs hier verstehe wird gerne immer wieder das Fass aufgemacht zwischen Primat der Ökonomie(manchmal gleichgesetzt mit Nationalismus) und Primat der Politik (hier gleichgesetzt mit Demokratie). Je nach politischer Einstellung wird dann pro oder contra argumentiert und mich wundert, dass etwas von beiden Seiten selbstverständlich als gegeben vorausgesetzt wird: die europäische Demokratie.

    Wenn man von europäischer Integration und Verlagerung der Kompetenzen spricht, sollte man sich klarmachen, was dies bedeutet. Persönlich sehe ich hier einige Defizite, die momentan gegen eine Integration sprechen. Defizite, die von Befürwortern der Integration unbedingt angesprochen und beseitigt werden sollten.

    1. Das Parlament ist in Europa nicht gerade stark. Es fehlt ein Initiativrecht. Vieles wird vom Rat beschlossen. Schaut euch mal die Abstimmungsmodalitäten für verschiedene Ressorts an und versucht den Überblick zu behalten. Ich wäre froh wenn mir jemand erklären könnte, warum sich die erforderlichen Mehrheiten ändern, je nachdem ob die Kommission auf Widerstand im Parlament gestoßen ist oder nicht. Bim Rettungsschirm hatte das Parlament übrigens nichts zu sagen. Und beim permanenten Rettungsschirm soll sich das meines Wissens nicht ändern.

    2. Basisdemokratie auf EU-Ebene? Fehlanzeige. Der europäische Bürgerentscheid ähnelt in seinen Inhalten und seiner Macht der Bundestagspetition. Die Kommission muss die Ergebnisse diskutieren. Mehr nicht.

    3. Lobbyismus: Wir können gerne viel über Transparenz auf deutscher Ebene diskutieren. Das eigentliche Lobby-Mekka ist aber längst schon in Brüssel und schaut uns zu, wie wir in Deutschland versuchen Dinge transparent zu machen, die längst auf EU-Ebene entschieden werden. Wunderbar an der ganzen Sache ist auch, dass sich dort weniger Gegenspieler aus der Zivilgesellschaft tummeln. Denn Brüssel ist ein teures Pflaster und so ein Büro will erst einmal bezahlt werden. Fabio schreibt: „Es ist aber nicht die Aufgabe einer Partei, die Position der Banken zu vertreten, die schon genug Sprecher in der Gesellschaft haben.“ – ganz genau.

    4. Transparenz: Ein Expertengremium jagt das nächste und es ist wenig ersichtlich wer mit wem da wann was warum hinter verschlossenen Türen beschlossen hat. Experten werden gehört – aber wer sucht die eigentlich aus und ist bei diesem Auswahlverfahren noch eine objektive Wahrheit das Ergebnis? Verhandlungen finden nicht im Parlament statt. Lobbytermine sind nicht nachvollziehbar. Großes Problem des Mehrebenensystems Europa ist auch die Verantwortlichkeit bzw. Zurechenbarkeit von Entscheidungen zu Verantwortlichen Instanzen/Personen. Die Bürger verstehen nicht wer da für was zuständig ist, weil jedes Land auf eine Extrawurst im Vertrag bestanden hat. Wie soll man da per Wahl etwas unliebsames abstrafen, wenn alles so verflochten ist, dass Max Mustermann nicht mitkommt?

    5. Die Mitglieder sind unterschiedlicher denn je. Finde ich grundsätzlich erst einmal gut, denn in der Vielfalt liegt die Schönheit, aber das Ergebnis macht mir Sorgen. Wenn auf Europaebene über Schwulenrechte debattiert wird, ist das unter Umständen ganz ganz anders als in Deutschland. Da haben wir katholische konservative Staaten die erst einmal die Legalität des ganzen anzweifeln würden. Von Ehe und Gleichstellung ganz zu schweigen. Der Blick nach Rumänin auf den Zustand des Presserechts stimmt mich nachdenklich. Zwar finde ich es gut, wenn dort durch die EU Druck gemacht wird, was ist aber wenn sich das einmal umkehrt?

    6. Demokratie und Grundrechte 2.0 ist der Tenor der Piraten. In Frankreich aber haben wir three strikes, in Großbritannien sollen die Ausschreitungen über Zugriff auf Verkehrsdaten gelöst werden, die Oststaaten haben einen wirklich beeindruckend strukturierten Polizei- und Geheimdienstapparat und auf EU-Ebene wird viel viel Geld für noch mehr schöne neue technische Spielereien ausgegeben. Mein Problem dabei ist: Die Mehrheit der EU-Bürger hat wahrscheinlich gar kein Problem damit, weil sie die Schrecken eines Nazi-Deutschlandes nur von außen erlebt haben und daher den Vorteil von Datenschutz, Trennungsgebot und Repression durch den eigenen Staat ganz anders bewerten als ich.

    Ich bin für Europa, aber nicht bedingungslos. Ich bin für ein freies Europa. Für ein Europa der Vielfalt. Für ein solidarisches Europa. Für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Grundrechte sowieso. Was mir bei der Debatte um Integration, Ökonomie und Politik aber bisher fehlt, ist eine realistische Einschätzung des Status Quo Europa. Was ist Europa jetzt und was muss sich ändern, damit wir das idealisierte Europa unserer demokratischen Träume auf die Beine stellen können? Wenn über Integration in Richtung Europa diskutiert wird, müssten doch eingentlich auch Forderungen und Wünsche genannt werden die notwendig wären um dies (wenn schon, dann wenigstens) richtig zu machen und nicht wieder unüberlegt vor sich hin zu integrieren wie beim Euro. Für mehr Beiträge in diese Richtung aus der Ecke der Piraten wäre ich sehr dankbar. Fabio schreibt: „Gerade auch im Hinblick, dass wir das Primat der Politik über die Wirtschaft aufrecht erhalten wollen (müssen), ist es unsere Aufgabe, politischen Gestaltungswillen zu zeigen und zu formulieren, wohin die Reise mit einem (hoffentlich) solidarischen Europa gehen soll.“

    Das sehe ich ganz genauso. Nur sehe ich die notwendigen Forderungen nach mehr Transparenz und Demokratie nicht, die dafür sorgen, dass nicht wieder die Lobby-Interessen auf EU-Ebene siegen. Denn eines muss man sich klar machen: Für Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft ist Europa gerade aus Intransparenzgründen ganz bequem.

    Bedingungsloses Europa zu Fordern ist daher zumindest für mich auch keine Lösung und ebenso verkürzt und pauschal wie hier kritisierte Gegenpositionen.

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