Wachsende Städte Bundesvergleich (Quelle: BSSR)

Beauf­tragte für Parti­zi­pation und wachsende Stadt

tl;dr Behör­den­ver­sagen und Bevöl­ke­rungs­zuzug in Berlin machen länger­fristige Planung, unabhängige und dauer­hafte Prozes­se­va­luation und verbind­liche Öffnung und Steuerung der Verwaltung notwendig. Die Piraten­fraktion im Abgeord­ne­tenhaus beantragt daher die Schaffung einer eigenen Stelle einer „Berliner Beauf­tragte für Parti­zi­pation und wachsende Stadt (kurz: PartWaSB)“ Acht Gründe, warum dies ebenso notwendig wie möglich ist.

Wachsende Städte Bundesvergleich (Quelle: BSSR)

1. Berlins Behörden arbeiten am Rande der Katastrophe

Es ist weder neu noch ein Geheimnis, dass Berliner Behörden bereits jetzt am Rande oder schon jenseits des Erträg­lichen arbeiten. Schwierig ist dies sowohl für die Menschen, die dort Leistungen (Schul- oder KiTaplatz, Sozial­leis­tungen, Bauan­trags­stellung, Impfschutz usw.) in Anspruch nehmen (wollen), als auch dieje­nigen, die dort unter den aktuellen Bedin­gungen arbeiten müssen. Betroffen sind so gut wie alle bezirk­lichen Behörden, ganz besonders aber die schon seit längerem katastro­phale Situation der Bürge­rämter. Unter dem Hashtag #Termin­wues­te­Berlin tauschen sich Menschen darüber aus, dass sie dort zum Teil Warte­zeiten von mehreren Monaten haben.

Dabei sind Perso­nal­mangel und Fehlin­ves­ti­tionen genauso eine Ursache wie die zahlreichen Probleme innerhalb der Verwal­tungs­ab­läufe und beim Einsatz von Hard- wie Software. Das merkt man auch daran, dass findige Unter­nehmer diese Lücken zum Geschäfts­modell umformen. Diesen ist dabei kein Vorwurf zu machen, wie es der Senat bisweilen tut, um von seinem eigenen Versagen abzulenken.

Eine ähnliche Kombi­nation aus Perso­nal­abbau, Ignorieren aller Warnungen, mangelnder Weitsicht und Planung, Prozessen, sowie Verwal­tungs­ab­läufen aus dem letzten Jahrhundert hat auch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) lahmgelegt. Sowohl im Bereich Unter­kunft­s­ac­quise als auch in der Leistungs­ab­teilung läuft schon lange nichts mehr rund. Besonders deutlich wurde es in diesem Sommer, wo nur das Einspringen der Zivil­ge­sell­schaft viel Schlim­meres verhin­derte. Aber auch schon vor 2015 gab es sehr laute und deutliche Warnungen.

Zu all diesen Problemen kommt jetzt auch noch das Bevöl­ke­rungs­wachstum und damit zusätz­liche Aufgaben für die Verwaltung. Es steht zu befürchten, dass dieses Verwal­tungs­ver­sagen noch in weiteren Behörden statt­finden wird. Die Behörden in Bezirk­sauf­sicht wird es zuerst und stärker betreffen, da dort die Eingriffs- und Kompen­sa­ti­ons­mög­lich­keiten geringer sind, aber auch die Landes­be­hörden werden noch wesentlich mehr als jetzt schon betroffen sein.

 

2. Digita­li­sierung stockt

All diese Probleme werden noch dadurch verstärkt, dass die Digita­li­sierung in Berlin kaum voran kommt. Akten müssen handschriftlich erstellt und unter viel Aufwand zwischen den Stand­orten der Verwaltung hin und her trans­por­tiert werden. Die Einführung der e-Akte wurde erneut verschoben. Manche Mitar­bei­tenden müssen an zwei Bildschirmen arbeiten aus Gründen mangelnder Inter­ope­ra­bi­lität der Software. Die sogenannten Fachver­fahren werden von Dutzenden verschie­denen Behörden verant­wortet. Nicht einmal eine vollständige Liste existiert. Berlin schafft nicht einmal eine Umstellung des aktuellen Betriebs­systems.

Die letzten vier Jahre schwarzer Innen­senat (zuständig für IT) waren komplett verschenkt. Aber auch vorher ist nicht viel passiert. Seit bald 8 Jahren warten wir auf das eGover­nment-Gesetz. Jetzt liegt es vor und es ist…nun ja…kein besonders großer Wurf. Es wird keines der aktuellen Probleme lösen. Manche Großpro­jekte wie eGover­nment@school werden nach vielen Jahren Planung und Durch­führung einfach sang- und klanglos einge­stellt. Der aktuelle Bericht „Service Stadt Berlin und Leitpro­jekte“ wirft ein schau­er­liches Bild auf ebendiese Service-Stadt. Etwa die Hälfte der aktuellen IT-Projekte wurde einge­stellt oder gestoppt.

Die ungelösten Probleme haben natürlich auch Auswir­kungen auf den Bereich Asyl. So konnten beispiels­weise mobile Regis­trie­rungs­teams keine Verbes­serung im Verfahren bringen, weil sie die Daten mehrfach einpflegen und doppelt Arbeit leisten mussten. Warte­marken statt Online-Terminen, wertlose Ersatz­scheine wegen Arbeits­über­lastung und Kranken­scheine statt Gesund­heits­karte tun das Ihrige, um die Verwaltung zu über­fordern und Leistungs­be­zie­hende zu drang­sa­lieren.

 

3. Berlin wächst

Seit Jahren wird darüber gesprochen, dass die Einwohnerzahl Berlins wächst. Schon 2014 wurde ein jähr­licher Zuwuchs von bis zu 40.000 Menschen festge­stellt, was einen Gesamt­zu­wachs von 250.000 Menschen und damit quasi einen zusätz­lichen Bezirk bis 2030 bedeutet. (Die aktuelle Prognose lautet 80.000 Menschen jährlich und damit ein zusätz­licher Bezirk noch vor 2020.). Das oben beschriebene Behör­den­ver­sagen ist kein Resultat der „wachsenden Stadt“, wird aber durch diesen Prozess noch verstärkt.

Seitdem man sich der Tatsache des offen­sichtlich statt­fin­denden Bevöl­ke­rungs­wachstums stellt, findet ein ziemlich verquerer Prozess statt. Statt eine offene Diskussion darüber zu wagen, was dies nun eigentlich bedeutet, welche Auswir­kungen und Konse­quenzen dies hat, wird urplötzlich und ohne sinnvolle Erklärung der Begriff „wachsende Stadt“ erfunden (so als wäre Berlin vorher geschrumpft), als Buzzword vor sich her getragen und für so ziemlich alles mögliche – gleichwie absurde – heran­ge­zogen: Für Forde­rungen nach Inves­ti­tionen in Bereichen, wie Straßen, Brücken, Schulen und KiTas in denen der Inves­ti­ti­ons­bedarf eigentlich älter als das Wort „urbs“ ist. Und für Inves­ti­tionen auch in „pet projects“ durch die Errichtung eines eigenen Sonder­ver­mögens mit dem vielsa­genden Namen Gesetz über die Errichtung eines Sonder­ver­mögens „Infra­struktur der Wachsenden Stadt (SIWA Errich­tungsG)“ vom 11. Dezember 2014 (Hier der Umset­zungs­be­schluss, hier die € 496 Mio. schwere SIWA-Bestückungs­liste für 2015 von denen aber nur 34,1 Mio auch dieses Jahr ausge­geben werden sollen). Die Auswahl der Inves­ti­ti­ons­ob­jekte verläuft ebenso willkürlich wie intrans­parent.

Und für ein mehr oder weniger offenes Einge­ständnis, dass der Perso­nal­abbau der letzten Jahre ein Fehler war, der nun korri­giert werden muss und die damit einher­ge­hende Abkehr der politisch gewählten Phanta­siezahl 100.000 (neue Zielzahl: 109.000) Absur­der­weise gibt es immer noch Bezirke wie Marzahn-Hellersdorf, die Stellen abbauen müssen. Ansonsten bleiben konkreten Handlungen in diesem Bereich – vor allem der Exekutive – über­schaubar.

bedeutet für mich, dass
Die Senats­kanzlei zum Berliner Hoffest: „Wachsende Stadt bedeutet für mich, dass…“

4. Inter­kul­tu­relle Öffnung stockt

Es ist offen­sichtlich, dass auf die Verwaltung zusätz­liche Heraus­for­de­rungen nicht nur im quanti­ta­tiven, sondern auch im quali­ta­tiven Bereich zukommen. Die Öffnung der Verwaltung, Aneignung inter­kul­tu­reller Kompe­tenzen und ein sachge­rechter und mehrspra­chiger Infor­ma­ti­ons­zugang sollten in einer weltof­fenen Metropole nichts neu zu erfin­dendes sein. Bereits mit dem 2010 verab­schie­deten „Berliner Gesetz zur Regelung von Parti­zi­pation und Integration in Berlin“ (PartIntG) wird den Behörden in §4 Gleich­be­rech­tigte Teilhabe und inter­kul­tu­relle Öffnung vorge­schrieben. Seitdem ist aller­dings wenig geschehen.

Wer sich über den Sachstand infor­mieren will, muss schon lange wühlen. Zuständig für das gesamte Feld ist die Abteilung für Integration, angesidelt bei Senatorin Kolat. Das Ressort kann sich nur selten gegen­über anderen Verwal­tungen durch­setzen – so es über­haupt gewollt ist. Schon zwei Integra­ti­ons­be­auf­tragte (wenn man sie über­haupt noch so nennen möchte) haben unter ihr das Amt aufge­geben. Die Gesamt­zu­stän­digkeit für die Verwaltung liegt eh bei Hardliner Frank Henkel.

Die Kolat-Verwaltung war bisher nicht einmal in der Lage, ihre Verpflich­tungen des eigenen Gesetzes zu erfüllen und dem Abgeord­ne­tenhaus recht­zeitig Berichte über die Umsetzung der Ziele dieses Gesetzes vorzu­legen. Gemäß § 8 PartIntG sollte der Senat erstmals zum 31. Dezember 2011 und dann alle zwei Jahre einen Bericht vorlegen. Der erste Bericht wurde dem Abgeord­ne­tenhaus elf Monate nach Ende des Berichts­zeit­raumes am 22. November 2012 vorgelegt. Der zweite Bericht wurde erst 18 Monate nach Ende des Berichts­zeit­raumes am 24. Juni 2015 vorgelegt. Dazu muss angemerkt werden, dass weder der Bericht vom 22. November 2012 noch der Bericht vom 24. Juni 2015 Infor­ma­tionen zur Errei­chung der Zielvor­gaben zur Erhöhung des Anteils der Beschäf­tigten mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund v.a. in der Berliner Verwaltung (bis auf ein paar allge­meine und unvoll­ständige Angaben zur Zahl der Auszu­bil­denden) und zu den vom Senat festzu­le­genden Maßnahmen zu ihrer inter­kul­tu­rellen Öffnung gemäß § 4 Abs. 5 enthalten. Offenbar liegt das Problem u.a. am fehlenden Verfahren und daten­schutz­recht­lichen Bedenken, da keine recht­liche Grundlage für die Erhebung des Merkmals Migra­ti­ons­hin­tergund bei der Einstellung im Land Berlin existiert – 5 Jahre nach dem Inkraft­treten des PartIntG!

Probleme gibt es auch in anderen Bereichen. Beispiel Jobcenter: Wer Spaß hat, kann die Anhörung zu diesem Thema im Integra­ti­ons­aus­schuss vom 25.9.2014 mit der vom 31.5.2007 vergleichen und schauen, was sich verbessert hat. Die Piraten schlagen konkrete Maßnahmen für die inter­kul­tu­relle Öffnung der Berliner Jobcenter vor.

 

5. Neue Chancen und zusätz­liche Heraus­for­de­rungen durch Geflüchtete

Natürlich führt die seit einigen Jahren stark angestiegene Zahl von Zuwander_innen, von denen aus juris­ti­schen Gründen die meisten über das Asylrecht einreisen – zu zusätz­lichen Heraus­for­de­rungen für die Verwaltung. Allen Unken­rufen zum trotz führt der Zuzug zu zusätz­lichen Chancen: Die EU-Kommission hält eine Steigerung des Wirtschafts­wachstums durch Geflüchtete von bis zu 0,3% (0,7% für Deutschland) für möglich. http://www.deutsch­landfunk.de/prognose-eu-rechnet-mit-aufschwung-durch-fluecht­linge.1766.de.html?dram:article_id=336018 Das Deutsche Institut für Wirtschafts­for­schung (DIW) betont die langfris­tigen positiven gesell­schaft­lichen Effekte: http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.518472.de

Unter­stützung brauchen Geflüchtete vor allem in drei Phasen:

  1. Regis­trierung, Unter­bringung und Erstver­sorgung,
  2. Sprach­kurse, Anerkennung von Abschlüssen, Arbeits­mark­tin­te­gration und weitere integrative Maßnahmen sowie
  3. in so gut wie allen anderen Bereichen der Verwaltung: Von Gesund­heits- und Jugendamt über Jobcenter und Sozialamt bis hin zu Services des Bürge­ramts und des Standes­amtes.

Nachdem sie nach ihrer Ankunft groß­teils separat verwaltet und bearbeitet werden, haben sie nach einer Weile als Neubürger_innen und unabhängig von ihrem früheren Aufent­halts­status Anspruch auf Regel­leis­tungen von immer mehr Behörden. Das große Problem: Momentan klappt ja schon in der Phase der Unter­bringung und Versorgung nur wenig. Immerhin kriti­sierten die Republi­ka­ni­schen Anwäl­tinnen und Anwälte jüngst, dass Geflüchtete, die vor dem LAGeSo auf ihre Regis­trierung warten, syste­ma­tisch von einem Rechts­an­spruch ausge­schlossen sind. Dieses Versagen und diese Nicht­er­füllung von Rechts­an­sprüchen darf die Geflüch­teten nicht über alle drei Phasen begleiten und sich auch noch auf andere Verwal­tungs­be­reiche ausbreiten. Spätestens in der dritten Phase werden Geflüchtete zwar weniger von der Verwaltung abhängig sein, da sie arbeiten und ihren Wohnort aussuchen dürfen. Gleich­zeitig haben sie jedoch Leistungs- und Unter­stüt­zungs­an­spruch durch Teile der Verwaltung, die in Berlin schon seit Jahren am Limit arbeiten und zusätzlich durch die Zuwan­derung aus den anderen Bundes­ländern gefordert sind. Dass Arbeits­mark­tin­te­gration als Jahrhun­der­t­aufgabe angesehen werden kann, sagt auch die Vorsit­zende des Paritä­ti­schen Barbara John. Da all diese Probleme aber schon jetzt abzusehen sind, darf es dann nicht heißen, dies sei ein über­ra­schender und unabseh­barer Effekt, so wie man seit Jahren im Bereich Unter­bringung nicht oder zu spät auf die gestie­genen Zahlen von Geflüch­teten reagiert. Es besteht aller­dings die Hoffnung, dass die Über­for­derung von Verwal­tungs­teilen, die für Dienst­leis­tungen an allen Menschen in der Stadt zuständig ist, eher auffällt und mehr Ände­rungs­druck aufgebaut wird. Im Rahmen der laufenden Diskussion über den Doppel­haushalt 2016/2017 wird jedoch vor allem der Bereich Unter­bringung disku­tiert. Die anderen Bereiche fallen weitgehend unter den Tisch. Dabei wäre gerade der große Zuzug der nächsten Jahre von Menschen mit unter­schied­lichen Anfor­de­rungen und unter­schied­lichen legalen Status trotz aller damit einher­ge­henden Probleme eine gute Möglichkeit, bisher schon proble­ma­tische oder lange schon nicht mehr auf den Prüf­stand gestellte Bereiche unter die Lupe zu nehmen und weiter zu entwi­ckeln. Auch das ist also eine Chance, die Geflüchtete der Stadt Berlin bieten, wenn wir sie ergreifen.

 

6. Keine Analysen, keine umfas­senden Berichte, nur Beschö­nigung

Es gibt aktuell in Berlin keine ernst­hafte syste­ma­tische Beschäf­tigung mit dem Thema. Weder mit der „wachsenden Stadt“ noch mit den Heraus­for­de­rungen durch Geflüchtete in Berlin. Natürlich gibt es Hunderte von Anfragen und Berichten über einzelne indivi­duelle Defizite, über nicht gezahlte Leistungen, Über­for­derung von Personal, über die Schließung von Ämtern etc.. Aber es gibt nichts, was einen Gesamt­über­blick über die drama­tische Situation geben würde. Das letzte Papier, dem man dies zugestehen kann, war der „Bericht über den Stand der Einführung von ziel- und wirkungs­ori­en­tierten Control­ling­s­ys­temen in der Berliner Verwaltung“. Das war 2006. Das „Flücht­lings­po­li­tische Konzept des Senats“ dieses Jahres zeigt deutlich, dass aktuell vor allem image­ori­en­tiertes und aus der getrie­benen Situation entstan­denes Stückwerk betrieben wird. Dieser lässt sich natürlich exempla­risch betrachten. Andere ressort­über­grei­fende Probleme werden ähnlich kurzbeinig angegangen.

Dass der Senat zu einer ehrlichen Selbst­analyse gar nicht in der Lage ist, merkt man auch daran, dass bei allen Entschei­dungen in der Regel externe bzw. unabhängige Stellen invol­viert werden. Im Bereich Regis­trierung ist beispiels­weise gerade McKinsey für die Prozes­se­va­luation invol­viert. Aber dieser ganze Prozess kostet viel Zeit. Von unseren Hinweisen auf Probleme bei den Verträgen bei Flücht­lings­un­ter­künften und unsach­ge­mäße Ausschrei­bungen bis zum Bericht eines Hamburger Wirtschafts­prü­fungs­un­ter­nehmens, dessen Bewertung alle unsere Befürch­tungen und Warnungen noch übertraf vergingen fast zwei Jahre. Was sich seitdem dort getan hat? Nichts.

 

7. PartWaSP kein Patent­rezept, aber Früh­warn­system und Impuls­ge­berin

Zur dauer­haften Begleitung des Verwal­tungs­han­delns, zur Kapazi­täts­planung, zur früh­zei­tigen Warnung, welche Behörde als nächste abschmiert, zur unabhän­gigen und proak­tiven Bericht­er­stattung und zur Imple­men­tierung von Prozessen wie inter­kul­tu­relle Öffnung und Digita­li­sierung braucht es eine eigene Behörde. Diese darf nicht Teil einer Senats­ver­waltung sein, da sie sonst den Macht­spielchen der Senator_innen unter­ein­ander ausge­liefert und ähnlich zahnlos wie der aktuelle Integra­ti­ons­be­auf­tragte wäre. Sie sollte am besten gar nicht Teil des Senats sein, da sie nur dann das Verwal­tungs­handeln entspre­chend kontrol­lieren und begleiten kann. Vorbild kann beispiels­weise der Daten­schutz­be­auf­tragte sein. Diese neue Behörde haben wir bereits grob vorkon­zep­tio­niert und dem Parlament vorge­schlagen. Sie heißt „Berliner Beauf­tragte für Parti­zi­pation und wachsende Stadt“ (generi­sches Femininum). Unser Antrag steht am 13. November in 1. Lesung auf der Tages­ordnung des Abgeord­ne­ten­hauses.

In ihrer fünf­jäh­rigen Amtszeit (inklusive Wieder­wahl­mög­lichkeit) soll die vom Parlament gewählte und vom Präsi­denten ernannte Beauf­tragte

  • die mit Bevöl­ke­rungs­zuzug (unabhängig vom Aufent­halts­status) in Verbindung stehenden Prozesse und Verwal­tungs­vor­gänge bei Behörden, nachge­ord­neten Einrich­tungen, landes­ei­genen Unter­nehmen und sonstigen öffent­lichen Stellen über­wachen und begleiten,
  • proaktiv und regel­mäßig Berichte erstellen, die dann vom Abgeord­ne­tenhaus in öffent­licher Sitzung disku­tiert werden,
  • als Anlauf­stelle für alle Hinweise über syste­mi­sches Verwal­tungs­ver­sagen dienen,
  • inter­kul­tu­relle Öffnung und Digita­li­sierung voran­treiben,
  • Impulse zur Verwendung von SIWA-Mitteln geben.

Natürlich kann die Beauf­tragte nicht zaubern. Natürlich müssen ihre Vorschläge immer noch angenommen werden und es muss die Bereit­schaft dafür geben, Dinge auch tatsächlich zu ändern. Und natürlich ist diese Behörde stark von ihrer Besetzung und der Durch­set­zungs­fä­higkeit der zu beset­zenden Person abhängig. Und natürlich müssen die für etwaige Mehraus­gaben und Ände­rungs­pro­zesse notwen­digen zusätz­lichen Mittel erst einmal gefunden und bewilligt werden. Aber häufig liegt es eben gar nicht nur am Geld. Und irgendwer muss ja mal mit Gesamt­ko­or­di­nation anfangen.

8. Eine zusäz­liche Stelle ist möglich

Zur Einrichtung dieser Stelle haben wir beantragt, im Haushalt Mittel in Höhe von € 3,9 Mio einzu­stellen, davon 1,3 Mio. in 2016 und 2,6 Mio. 2017. 2016 sind lediglich €1,3 Mio. vorge­sehen, von denen der Großteil gesperrt ist. Nach der Ernennung durch den Präsi­denten Anfang 2016 wird lediglich ein kleiner Mitar­bei­ten­denstab zur Verfügung stehen, die dabei helfen, Räum­lich­keiten zu finden und einen ausführ­li­cheren eigenen Haushaltsplan (In der Berliner Haushalts­sy­te­matik hat der Daten­schutz­be­auf­tragte einund­zwan­zigsten Einzelplan, daher wäre der neue der Einzelplan 22) auszu­ar­beiten, der dann vom Parlament beschlossen wird. In der Folge kann die Behörde umfassend aufgebaut und zusätz­liche Mitar­bei­tende einge­stellt. Die Mittel sind vergleichs­weise über­schaubar. Zum Vergleich: Der Daten­schutz­be­auf­tragte hat ein Budget von ca. € 5,2 Mio. / Jahr. Außerdem werden Hunderte Millionen für Leistungen im Asylbe­reich ausge­geben werden, darunter vermutlich auch hohe Summen, die für unnötige Doppel­arbeit ausge­geben werden, sowie für Verwal­tungs­vor­gänge, die wesentlich effizi­enter gestaltet werden könnten.

 

All das sollte klar machen: Eine besondere Stelle für die beson­deren anste­henden Aufgaben einzu­richten, ist so sinnvoll wie notwendig wie möglich. Die aktuellen Haushalts­ver­hand­lungen sind der richtige Zeitpunkt dafür. Denn sonst verschenken wir wieder wertvolle Jahre, in den wir weder Öffnung noch Entwicklung der Verwaltung sehen werden und in denen wir sehenden Auges in Staats­ver­sagen in immer mehr Bereichen laufen. Insofern hoffen wir auf Unter­stützung der anderen Fraktionen für unseren Vorschlag.

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