„Ich glaube allerdings, daß Versuche, politischen Protest mit der Popular-Music, also mit der Unterhaltungsmusik zusammenzubringen, deshalb zum Scheitern verurteilt sind, weil die ganze Sphäre der Unterhaltungsmusik – auch wo sie irgendwie modernistisch sich aufputzt – so mit dem Warencharakter, mit dem Amusement, mit dem Schielen nach dem Konsum, verbunden ist, daß also Versuche, dem eine veränderte Funktion zu geben, ganz äußerlich bleiben. Und ich muss sagen, wenn also dann irgendjemand sich hinstellt und auf eine im Grunde doch schnulzenhafte Musik dann irgendwelche Dinge darüber singt, daß Vietnam nicht zu ertragen sei, dann finde ich, daß gerade dieser Song nicht zu ertragen ist, weil er, indem er das Entsetzliche noch irgendwie konsumierbar macht, schließlich auch daraus noch etwas wie Konsumqualitäten herauspresst.“
Politische Musik ist ein schwieriges Unterfangen und in der Regel zum Scheitern verurteilt. Am Besten hat dies wohl Adorno thematisiert mit Bezug auf die Musik gegen der Vietnamkrieg. Angeblich soll er sogar schon linken Musiker*innen im Traum erschienen sein, woraufhin diese an einer halbjährigen Schreibblockade gelitten haben. Doch es gibt sie, die linken Musiker*innen die mit ihren Liedern im besten Fall Jugendliche politisieren – wie die Bands Egotronic oder Kraftklub (z.B. Schüsse in die Luft) – und so den Spagat schaffen zwischen dem Anbieten eines Produkts und dem Zeigen notwendiger Haltung.
Das aktuellste politische Thema ist die Flüchtlingskrise: Tausende Menschen sterben im Mittelmeer und auf ihrem Weg nach Europa bei ihrem Versuch, Elend, Krieg und fundamentalistischem Terror zu entkommen. Dass die wenigen, die überhaupt in Europa ankommen, diese beschwerliche Reise auf sich nehmen müssen, dass die noch wenigeren die es nach Deutschland schaffen unter der täglichen Angst eines rassistischen Anschlags leiden müssen, sind Tatsachen, die an Schrecklichkeit kaum zu überbieten sind und auf die sich Adornos Aussage definitiv übertragen lässt.
Gerade ich – als weißer Deutscher – sollte diesem Thema mit der nötigen Distanz begegnen, ebenso wie Bob Geldorf und Campino es an Weihnachten besser getan hätten. Doch sitzen bleiben und Menschen sterben lassen darf auch keine Lösung sein. Im Kapitalismus kann – und das ist die traurige Wahrheit – Geld Leben retten und Menschen helfen. Wenn Bob Geldorf und Campino Aufmerksamkeit und damit Spenden für Ebola generieren, CDs verkaufen, deren Erlös gespendet wird, ist dabei viel zu kritisieren, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Kritik zu üben, ist richtig und notwendig, aber Schritte zu gehen, ist ebenso wichtig.
Dabei hat sich in den letzten Monaten viel getan. Menschen helfen Dutzende Stunden täglich am LAGeSo, an Notunterkünften und anderen Stationen wo Flüchtlinge ankommen und auf Hilfe angewiesen sind oder sammeln Spenden. Kommunalpolitiker*innen rotieren bei dem Versuch, die Lebensbedingungen der Ankommenden zu verbessern. Die Kirchen schrauben ihr Engagement für Geflüchtete rauf, kümmern sich um die, die der Staat vergessen hat und eröffnen Flüchtlingskirchen. Und Musiker*innen singen. Das akzeptiere ich.
Genau aus diesem Grund habe ich mich dafür entschieden, eine Anfrage positiv zu beantworten, bei der ich erst Skepsis hatte. Einer der Menschen, die versuchen ihren Anteil über Musik zu leisten, ist Donato Plögert. Sein Engagement, als Künstler gesellschaftliche Themen aufzugreifen und zu verarbeiten, ist glaubwürdig und auch nicht neu. Außerdem ist er mir von verschiedenen Seiten empfohlen worden.[1] Daher habe ich – Adorno zum Trotz – zugesagt, ihn bei seinem musikalischen Unterfangen zu unterstützen und habe einen kleinen Gastpart auf der im November erscheinenden CD „Sie suchen nach dem Morgen“. Das Geld aus dem Erlös der Karten für das Releasekonzert und der CDs wird zu gleichen Teilen dem Berliner Flüchtlingsrat und dem Begegnungschor „Berliner singen mit Flüchtlingen“ zu Gute kommen. Ich würde mich freuen, euch dort zu treffen. Die Release Party zur CD wird am
– Montag, den 02.11.2015 um 20 Uhr (Einlass ab 19 Uhr)
– im ‚Wilde Oscar‘, Niebuhrstraße 59, 10629 Berlin
sein. Mehr Infos gibt es auf der Facebook-Seite. Und hier gehts zum Video und zu Infos zur Bestellung.
[1] Der beste Grund, die CD zu machen, ist mir erst nachher eingefallen. Die Melodie ist ja von Christian Bruhn. Der ist neben seinem aus Piratensicht wenig durchwachsenen Engagement für die GEMA bekannt für Songs wie ‚2 kleine Italiener‘, ‚Marmor, Stein und Eisen bricht‘ und ‚Wunder gibt es immer wieder‘, sowie den Werbeklassikern von Shamtu Shampoo, Milka und Perwoll. Außerdem hat er aber auch noch den Soundtrack des Lieblingshelden meiner Kindheit komponiert: ‚Captain Future‘. Hört mal rein! 😉