Dies ist der erste Teil meiner Blogbeiträge zum Doppelhaushalt 2016/2017. Der Beitrag ist bereits auf dem Fraktionsblog erschienen. Mittlerweile ist auch der gesamte Haushaltsentwurf des Senats vorliegend. Ihr findet ihn hier als Zip-Datei. Das dazugehörige Gesetz gibts hier.
Immer wieder hat die Piratenfraktion die Koalition aufgefordert, mehr Investitionen zu leisten. Ob in Schulen, an Brücken, auf Straßen, in Krankenhäusern oder in Flüchtlingsunterkünften: es quietscht und knatscht an vielen Stellen. Und wir kommen in einen Zustand, wo nicht geleistete Investitionen sich über die Zeit verteuern. Trotzdem wird die Schuldenrückzahlung gerade zum neuen Lieblingsbetätigungsfeld der großen Koalition. Inzwischen geht es auch nicht mehr anders, der Verfall der Infrastruktur ist augenfällig und die Notwendigkeiten der wachsenden Stadt offensichtlich. Umso besser, dass der Entwurf des Doppelhaushalts vom 7. Juli (hier die PM des Senats dazu) das nun auch abbildet. Die Haushaltsberatungen selbst gehen dann vom 31. August bis zur 2. Lesung im Plenum des Abgeordnetenhauses am 10. Dezember.
Aber die Eckwerte und ein paar weiteres Infos sind schon bekannt, veröffentlicht oder geleakt. Auffällig ist, dass dabei reichlich geschummelt wurde und wird. Hier sind ein paar der Tricks mit denen sich der Senat den Haushalt schönrechnet und das Wahl(kampf)jahr 2016 versüßen will.
Trick 1: Erst die Zinszahlungen künstlich hochrechnen
Für die 60 Mrd. € Schulden (die an die landeseigenen Unternehmen ausgelagerten Milliarden nicht mit gerechnet) muss Berlin einiges an Zinszahlungen berappen. In den letzten Jahren war das unter anderem aufgrund der EZB-Niedrigzinspolitik vergleichsweise wenig. 2014 wurden dafür „nur“ 1,756 Mrd.Euro bezahlt. Trotzdem wurde in den vergangenen Jahren – egal unter welchem Finanzsenator- immer wesentlich mehr veranschlagt, in der Regel um die 2,1 Mrd. Euro. So lässt sich jedes Mal noch was schönes nachfinanzieren ohne Schulden aufnehmen zu müssen. 2012 waren dies beispielsweise 444 Mio. Euro für das BER-Debakel.
Trick 2: Die Zinszahlungen dann wieder herunterrechnen
Wenn das Argument nun wenigstens wäre, dass die Zinsen immer wieder hochgehen können und man lieber auf der sicheren Seite steht, dann wäre es wenigstens konsequent. Aber für die Haushaltsjahre 2016/17 wird nun ganz plötzlich und ohne sinnvolle Erklärung davon ausgegangen, dass die Zinszahlungen 1,7 bzw. 1,8 Mrd. Euro betragen. Dabei kann natürlich 2017 auch schon wieder eine andere Zinspolitik vorherrschen. Anschaulich betrachten kann man das in den Eckwerten vom 3. März 2015 (PDF).
Wer „ist 2014“ und die Planungen von 2015/16/17 nebeneinander betrachtet, bekommt einen Eindruck der ganzen Trickserei. So steigt der Wahlkampfhaushalt dann schon direkt um ca. 600 Mio.Euro. Da für 2015 auch mit 2,1 Mrd. Euro gerechnet wird, die Zinsen aber unten bleiben, dürfte da noch einiges dazu kommen. Zusammen mit den dadurch noch einzusparenden, weil zuviel geplanten 400 Mio.Euro für 2015, ergibt dies insgesamt 1 Mrd. Euro, die im Wahljahr 2016 ausgeschüttet wird.
Trick 3: Sich steuerlich schlank rechnen
Durch Steuer-CDs und gute Konjunktur sprudeln die Steuereinnahmen gerade in Deutschland und Berlin. So wurde am 23. April 2015 im Abgeordnetenhaus ein Nachtragshaushalt über 300 Mio. Euro verabschiedet, der bis auf einige andere Gelder im Bereich EU und Bildung vor allem aus Steuermehreinnahmen bestand. Die Piratenfraktion stimmte dagegen und kritisierte den Nachtraghaushalt.
Sinnvoll wäre es da gewesen, sich an den aktuellen Prognosen zu orientieren. Im Mai 2015 gab es Prognosen deren ungefährer Inhalt dem Senat wohl auch beim Entwerfen des Nachtragshaushalts im Frühjahr bekannt gewesen sein dürften. Dieser prognostizierte 526 Mio. Euro. Anstatt daran orientierte man sich lieber an den wesentlich konservativeren Prognosen von November 2014 obwohl die schon lange nicht mehr als aktuell galten. So wurden nur 300 Mio. Euro veranschlagt, obwohl wesentlich mehr möglich gewesen wäre. Das Geld, was 2015 nicht verplant oder ausgegeben wird, fließt dann natürlich ins Wahljahr 2016.
Trick 4: Investitionen verschieben bis 2016
Aber wohin flossen denn eigentlich die oben genannten 300 Mio. Euro des Nachtragshaushalts 2015? Doch wohl in Investitionen? Natürlich nicht. Ist ja noch nicht Wahlkampf. Das gesamte Geld wurde in die Schuldentilgung gesteckt. Straßen, Brücken und Schulen verrotten weiter. Aber es gibt noch das Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA) in Höhe von 496 Mio. Euro.
Dieses Sondervermögen soll speziell für Investitionen sein. Jedoch wer im PDF-Dokument des Berliner Nachtragshaushalts 2015 auf S.36 runterscrollt, stellt fest, dass nur 34,1 Mio. Euro davon 2015 ausgegeben werden sollen. Der Rest ist für später.
Trick 5: Haushalt nicht auf Nachhaltigkeit setzen
Der Doppelhaushalt 2016/17 wird durch seine Erhöhung um 1,3 Mrd.Euro der fetteste Wahlkampfhaushalt seit 20 Jahren. Doch das steht auf tönernen Füßen. Der Wahlkampfetat 2011 lag „nur“ 600 Mio.Euro über dem davor liegenden. Der vom Senat geplante Anstieg der Personal- und Sachausgaben um rund eine 1 Mrd.Euro weckt dann die Erwartung, es werde auch in Zukunft so weitergehen. Das ist aber definitiv nicht der Fall. Daher wird der Doppelhaushalt 2018/19 wohl wieder ein Schrumpfhaushalt. Eine strukturelle Ausgabensteigerung von rund 5 Prozent lässt sich bei Einnahmesteigerungen von 2,5 Prozent nun mal nicht fortschreiben.
Fazit
Mit Hilfe der skizzierten Tricks hat es der Senat bislang komplett vermieden, in dringend benötigte Infrastrukturmaßnahmen zu investieren. Dies passiert nun über den Doppelhaushalt 2016/17, der mit seiner Erhöhung um 1,3 Mrd.Euro der größte Wahlkampfhaushalt seit 20 Jahren wird und zugleich Erwartungen weckt, die in den nächsten Jahren nicht erfüllt werden können.
In Niedrigzinszeiten Schulden tilgen, Straßen, Schulen und Gebäude verrotten lassen und dann nur ein einziges Mal einen Haushalt aufstellen, der sich deutlich von dem davor und dem danach unterscheidet, wird der Situation Berlins nicht gerecht.