Gegen antizi­ga­nis­tische Hetze – Selbst­be­stimmung statt Räumung Video­kund­gebung gegen Antizi­ga­nismus

Wann? 29. August 2011
Uhrzeit? 19.30 Uhr
Wo? Görlitzer Park / Eingang Skalitzer Straße

Aufgrund eines Berichts des Bezirksamts habe ich letzte Woche im Haushalts­aus­schuss Fried­richshain-Kreuzberg erfahren, dass die Polizei kurz vor der Räumung einer Gruppe von Roma steht, die momentan im Görlitzer Park unter­kommen. „Unter­kommen“ ist dabei natürlch ein Euphe­mismus, der einen katastro­phalen Vorgang der Rück­sichts­lo­sigkeit und der Verant­wor­tungs­ver­meidung beschreibt, innerhalb dessen die Roma aus ihren Wohnungen in Berlin-Mitte vertrieben wurden, ohne irgend­einen adequaten Ersatz.

Hier der Aufruf zur Veran­staltung nächsten Montag:

Seit Anfang August näch­tigen unter dem Dach des ehema­ligen Bahnhofs im Görlitzer Park etwa 50 rumä­nische Roma. Sie wohnten zuvor in Wohnungen im Bezirk Mitte, wo ihnen aber vom Vermieter fristlos gekündigt wurde, nachdem sich Nachbarn beschwert hatten. Von diesen hieß es, die Roma seien zu laut, unhygie­nisch, unange­passt und zu viele. Klassische antizi­ga­nis­tische Vorur­teile, die sich nun im Görlitzer Park wieder­holen.

Vor allem das Park-Cafe „Edel­weiss“ und einige Anwoh­ne­rInnen haben bei der Presse und dem Bezirksamt Bettelei, Lautstärke und Hygiene der Roma moniert. Man fühle sich belästigt. Statt punktuell zu helfen und z.B. die sanitären Bedin­gungen zu verbessern, nötigen einige poten­tielle Wähle­rInnen das Bezirksamt Kreuzberg aktiv zu werden, da sie den Anblick von Armut im Görlitzer Park nicht länger ertragen. Das Bezirksamt Kreuzberg schob die Verant­wortung an den Nachbar­bezirk Mitte ab – schließlich seien die Roma dort obdachlos geworden.
Ein Runder Tisch entschied Hilfe­stellung bei der Wohnungs­suche zu geben. Lehnen die Roma die Angebote ab, werden sie durch das Ordnungsamt und Grün­flä­chenamt mit polizei­licher Unter­stützung zeitnah geräumt. Schon im Jahr 2009 sorgte eine ähnliche Konstel­lation im Görli für die Besetzung der St. Marien Liebfrauen Kirche von rund 100 Roma, die durch die Aktion „Aus­reise gegen Bargeld“ beendet wurde. 250,- Euro für jeden Roma der Deutschland freiwillig verließ – europäische Freizü­gigkeit nach Berliner Gangart. Seit dem ist angeblich einiges passiert. Der Senat hat eine „An­lauf­stelle für Wander­ar­beiter und Roma“ initiiert und in Neukölln, wo am meisten Roma in Miets­ka­sernen unter­kommen, wurden gezielt Roma-Kinder einge­schult. Trotzdem sind die Bezirke von einigen Dutzend Roma jeweils in den Sommer­mo­naten humanitär über­fordert. Ob nur unfähig oder mit Absicht – das Politik­ver­sagen sorgt Jahr für Jahr für die gleichen rassis­ti­schen Bilder im Sommerloch. Die Sicht der Betrof­fenen spielt dabei keine Rolle.

Eine Aufklä­rungs­hilfe: Obwohl Roma etwa 10 Prozent der Gesamt­be­völ­kerung Rumä­niens stellen, werden sie nach Angaben von Amnesty Inter­na­tional syste­ma­tisch staatlich und gesell­schaftlich ausge­grenzt. Drei Viertel der Roma seien von Armut betroffen. Spätestens seit dem EU-Beitritt Rumä­niens im Jahr 2007 gibt es deshalb verstärkte Armuts­mi­gration. In Bulgarien ist die Situation der Roma ähnlich. Das Recht auf Freizü­gigkeit gibt rumä­ni­schen und bulga­ri­schen Bürgern zunächst für die Dauer von drei Monaten die Möglichkeit sich ohne Angabe von Gründen in anderen EU-Staaten aufzu­halten. Danach ist die Selbst­ver­sorgung durch den Nachweis von selbst­stän­diger Arbeit (eigenes Gewerbe) [oder Ausbildung, Empfänger von Dienst­leis­tungen, Famili­en­an­ge­hörige usw., Anmerkung vom Berliner Flücht­lingsrat, siehe auch]) erfor­derlich. In Ausnah­me­fällen wird von der Agentur für Arbeit eine tempo­räre Arbeits­er­laubnis erteilt (z.B. für Saison­arbeit). Einen Anspruch auf Sozial­leis­tungen, über eine Notfall­ver­sorgung hinaus, gibt es nicht.

Dieje­nigen Roma, die den Ausweg aus der Armut in den EU-Ländern suchen, haben erschwerte Bedin­gungen am Arbeits- und Wohnungs­markt. Aufgrund der syste­ma­ti­schen antizi­ga­nis­ti­schen Diskri­mi­nierung ist ihnen vielfach auch der Zugang zu Bildung und Ausbildung verwehrt. In Deutschland angekommen, verbleiben den Roma mangels staatlich verbriefter Quali­fi­ka­tionen häufig nur wenig Möglich­keiten Geld zu verdienen. Die Arbeit bringt oft gerade genug Geld ein, um für Unterhalt und Miete zu sorgen. Allein mit präven­tiver Sozial­arbeit durch die Beratungs­stellen wird keine grund­le­gende Verbes­serung zu erreichen sein.
Das Verant­wor­tungs-Ping-Pong und der ungenierte Antizi­ga­nismus passen zu einer Stadt, die mit „Weltof­fen­heit“ koket­tiert und gleich­zeitig den brutalen Sozial­chau­vi­nismus nicht abzulegen vermag. Der Ekel der Privi­le­gierten trifft jene, die sich am wenigsten dagegen wehren können und so zum Spielball der Behörden werden.

Aufgrund ihrer Verfolgung in Rumänien und der syste­ma­ti­schen Unter­drückung ist es vielmehr eine politische Pflicht den Roma Hilfe­stellung zu gewähren, sofern diese gewollt ist. Die geplante Nötigung der Roma Wohnungs­an­gebote anzunehmen, um nicht gewaltsam geräumt zu werden, ist jeden­falls nicht die Hilfe die nötig wäre.

Zusammen Handeln gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung!
Gegen antizi­ga­nis­tische Hetze – Selbst­be­stimmung statt Räumung der Roma im Görli

Video­kund­gebung mit Redebei­trägen am Montag, 29. August ab 19.30 Uhr am Eingang Görlitzer Park.

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Presse­be­richte chrono­lo­gisch (thx @ Antifa Fried­richshain)
http://www.tages­s­piegel.de/berlin/rumaenen-muessen-park-raeumen/4512248.html
und
http://www.tages­s­piegel.de/meinung/schuld-ist-immer-ein-anderer/4511626.html
http://www.taz.de/Roma-in-Kreuzberg/!76468/
http://www.berli­ner­um­schau.com/news.php?id=28295&title=Zigeuner-Familien+in+G%F6rlitzer+Park+erhalten+Wohnungen&storyid=1001313756338
http://www.tages­s­piegel.de/berlin/aerger-mit-roma-im-goerlitzer-park/4490708.html
http://www.bz-berlin.de/bezirk/kreuzberg/kreuzberg-will-roma-helfen-artic­le1247057.html
http://www.welt.de/politik/deutschland/artic­le13541213/Campie­rende-Roma-im-Park-verstoeren-Anwohner.html
http://www.tages­s­piegel.de/meinung/machen-es-sich-roma-in-der-opfer­rolle-bequem/4494314.html
http://www.taz.de/Kreuzberg/!76207/
http://www.bz-berlin.de/archiv/roma-elend-im-goerlitzer-park-artic­le1245787.html